
Wer sich auf Kreta nicht nur von Stränden und Tavernen verzaubern lassen möchte, sondern tiefer in die Kultur und Handwerkstradition eintauchen will, sollte einen Abstecher ins Töpferdorf Margarites unterhalb des Psiloritis, dem höchsten Berg Kretas machen. Das malerische Bergdorf, rund 30 Kilometer südöstlich von Rethymno gelegen, vereint auf einzigartige Weise jahrhundertealte Handwerkskunst, eine idyllische Landschaft und das authentische Leben auf der Insel.

Ein Dorf voller Geschichte und Tradition
Margarites zählt zu den ältesten Töpferzentren Kretas. Bereits in der minoischen Epoche wurde hier Ton verarbeitet, später nutzten die Venezianer und Osmanen die Region als Handwerksstandort. Die Lage des Dorfes spielt dabei eine besondere Rolle: Die Böden in der Umgebung sind reich an Tonerde und lieferten seit jeher den Rohstoff für die Keramikkunst. Noch heute spürt man beim Spaziergang durch die Gassen diese jahrtausendealte Tradition, die das Dorf prägt.

Viele der Häuser sind im alten kretischen Stil erbaut, mit verzierten Bögen, kleinen Innenhöfen und steinernen Portalen. Die Architektur allein wäre schon einen Besuch wert – doch was Margarites besonders macht, sind die unzähligen Werkstätten und Galerien, die das Handwerk lebendig halten.

Keramik in allen Formen und Farben
Beim Bummel durch Margarites fällt sofort auf: Kaum eine Gasse kommt ohne eine Werkstatt oder einen kleinen Laden aus – wobei sich die meisten von Ihnen an der Hauptstraße durch den Ort aneinander reihen. Überall stapeln sich Töpfe, Krüge, Vasen und Schalen. In den offenen Ateliers kann man den Töpfern oft direkt bei der Arbeit zusehen. Das leise Surren der Drehscheibe, die geschickten Hände, die aus einem Stück Ton ein Gefäß formen – dieses Handwerk strahlt eine fast meditative Ruhe aus. Gestört höchstens von ganzen Busgruppen aus unterschiedlichsten Ländern, die mal eben aus dem klimatisierten Bus gespuckt wurden und als Traube ganze Läden bevölkern.

Die angebotenen Stücke sind vielfältig. Neben klassisch schlichten Gefäßen in Naturtönen finden sich auch bunt bemalte Keramiken, die moderne Elemente mit traditionellen Formen verbinden. Besonders beliebt sind die großen Amphoren, wie man sie schon aus minoischen Palästen kennt, oder kunstvoll verzierte Teller mit kretischen Mustern.

Einige Werkstätten haben sich auf Gebrauchskeramik spezialisiert – Geschirr, das nicht nur dekorativ ist, sondern auch im Alltag verwendet werden kann. Da sie sich in einigen Produkten allerdings durchaus selber „kopieren“, besteht durchaus die Möglichkeit, sich seine eigene „Serie“ von verschiedenen Akteuren zusammenzustellen (Ironie aus). Andere bieten kunstvolle Einzelstücke, die mehr Skulptur als Gebrauchsgegenstand sind. Wer ein Souvenir mitbringen möchte, findet in Margarites garantiert etwas Einzigartiges.

Übrigens: Der Grundstoff der Keramiken stammt aus der Erde. Die Töpferwerkstätten, die „Tsikalaria“ genannt werden, befinden sich aus einem bestimmten Grund längs der Straße, die nach „Aori“ am Fuße des Psiloritis-Berges führt. Von 1860 bis 1960 gab es hier mehr als fünfzig Werkstätten. In diesem Zeitraum lebte mehr als ein drittel der Familien des Dorfes von der Töpferei. Das „Aori“ ist nicht nur eine Bezeichnung – „Aori“ ist die Basis, der Grundstoff der Keramiken aus Margarites, denn es birgt alle Sorten von Tonerde, die sich für die Herstellung dieser besonderen Töpferwaren eignet.

Begegnungen mit den Menschen
Das Schönste an Margarites ist vielleicht die Begegnung mit den Menschen. Viele der Töpfer stammen aus Familien, die das Handwerk über Generationen hinweg weitergegeben haben – die bezeugen alte wie neue Fotos, wie auch Zeugnisse aus „Dissen am Ammersee“ für traditionelle Handwerkstöpferkunst. Besucher werden freundlich empfangen, und nicht selten nehmen sich die Handwerker Zeit, die Techniken und Besonderheiten zu erklären.
So erfährt man beispielsweise, dass manche Brennöfen noch traditionell mit Holz befeuert werden oder dass bestimmte Formen eine ganz praktische Funktion im Alltag der Inselbewohner hatten. Oft steckt hinter einem scheinbar einfachen Krug eine Geschichte, die bis in die Antike zurückreicht.
Auch gibt es ein Berühmtheit aus dem Ort: Nikos Kavgalakis ist heute einer der bedeutendsten Töpfer Griechenlands, wurde 1937 in Margarites geboren. Er lernte die Töpferkunst von Kindesalter an und stellte schon im Alter von 13 Jahren Gefäße her. Bekannt wurde er durch die Herstellung von einzigartigen traditionellen Gefäßformen. Er nahm an Ausstellungen sowohl in Griechenland als auch im Ausland teil, wo er mit Preisen und Ehrungen gekrönt und sein unbezwingbares Talent in der Töpferkunst bewundert wurde. Die Werke von Nikos Kavgalakis schmücken private und öffentliche Räume in aller Welt.

Kulinarische Pausen im Dorf
Wer nach einem Rundgang durch die Gassen eine Pause braucht, findet in Margarites auch gemütliche Tavernen und Cafés. Unter schattigen Bäumen lassen sich traditionelle Gerichte genießen – von frisch zubereitetem „Dakos“ über gefüllte Weinblätter bis hin zu gegrilltem Lamm. Besonders reizvoll ist es, auf einer Terrasse Platz zu nehmen, den Blick über die grüne Hügellandschaft schweifen zu lassen sowie mit Blick auf die Nordküste von Kreta und das geschäftige, aber zugleich entspannte Treiben im Dorf zu beobachten: wenn die Handwerker mit ihren Transportern kurz stoppen und sich ihr Mittagessen am Nachbartisch servieren lassen – oder einfach nur Ihren Kaffee trinken.

Ein Ausgangspunkt für Entdeckungen
Margarites ist nicht nur ein Ziel für sich, sondern auch ein hervorragender Ausgangspunkt für weitere Erkundungen in der Region. Ganz in der Nähe befindet sich das berühmte Arkadi-Kloster, das für seine Rolle im kretischen Freiheitskampf bekannt ist (siehe unser separater Bericht HIER). Auch die Ausgrabungsstätte von Eleutherna, die wertvolle Einblicke in die antike Geschichte Kretas bietet, ist schnell erreicht.
Die Lage inmitten einer sanften Hügellandschaft macht Margarites zudem zu einem idealen Ort für Spaziergänge und Wanderungen. Olivenhaine, Weinberge und kleine Kapellen prägen das Bild und laden dazu ein, die Umgebung zu erkunden.

Margarites – ein Dorf zwischen Tradition und Moderne
Obwohl Margarites stark vom Tourismus profitiert, hat es seinen authentischen Charakter bewahrt. Die Werkstätten produzieren nicht nur für Besucher, sondern beliefern auch weiterhin die Insel mit Keramik. Gleichzeitig haben junge Künstler frischen Wind ins Dorf gebracht, indem sie traditionelle Techniken mit modernen Designs verbinden.
Diese Mischung aus Bewahrung und Innovation macht Margarites besonders spannend. Es ist ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschmelzen – sichtbar in jedem Gefäß, in jeder bemalten Fliese, in jedem Gespräch mit den Menschen vor Ort.

Eine Töpferei (am südlichen Ortsrand gelegen an der Straße Richtung Arkadi-Kloster) hat sogar ein kleines Töpfermuseum eingerichtet – auf 24 Schautafeln wird die alte Handwerkskunst und ihre Geschichte detailliert erläutert.

Margarites zeigt, dass Kultur nicht im Museum verstauben muss, sondern lebendig und erlebbar sein kann. Und so wird ein Tag in diesem Töpferdorf leicht zu einem der schönsten Erinnerungen an eine Reise nach Kreta.
© Text Hans-Martin Goede 12.10.2025, Fotos © 2025 – gerne erfragen Sie weiteres hochauflösendes Bildmaterial aus unserer umfangreichen Datenbank, wir lizensieren Ihnen gerne gewünschte Motive. Eine Auswahl der Motive zu diesem Reisebericht finden sich auch auf ADOBE STOCK HIER!