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Reisebericht: Die Vézère – wenn ein Fluss die Menschheitsgeschichte beeinflusst

Die Vezere entspringt im westlichen Zentralmassiv, auf dem Plateau von Millevaches und mündet 211 Kilometer später bereits in die Dordogne.

Die Vezere (hier bei Le Moustir) entspringt im westlichen Zentralmassiv, auf dem Plateau von Millevaches und mündet 211 Kilometer später bereits in die Dordogne.

Les Eyzies-de-Tayac (©HMG) – Ein Fluss mit gerade einmal 211 Kilometer Länge, nur durch ein Land fließend. Und doch sorgt sein Name bei vielen Menschen für Verzücken: Malerisch durch das zauberhafte Perigord vor sich hin fließend, sind vor allem die letzten 50 Kilometer von Terrasson la Villedieu bis nach Limeuil, bevor der Fluß in die Dordogne mündet, ein Schatz, den nicht erst die streitenden Franzosen und Engländer im 13. und 14. Jahrhundert für sich haben wollten.

Die Geschichte, die dazu führte, dass 15 (prähistorische) Orte entlang der Vézère 1979 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde, begann viel früher: vor rund 100.000 Jahren in La Micoque, zu Beginn der letzten großen Eiszeit, dem Beginn des Mittelpaläothikum. Doch aus dieser Zeit sind lediglich Faustkeile zu finden, die man im Nationalmuseum „PRÈHISTOIRE“ in Les Eyzies- de-Tayac (www.musee-prehistoire-eyzies.fr) studieren kann (bis 26 Jahre kostenlos, sonst 4,50 bzw 6 Euro Eintritt, mit dem „Pass’Perigord“ gibt es eine Reduktion von 1 Euro je Person, Preise 2019). Ebenso lohnt ein Besuch des neu eröffneten Interpretationszentrum für Prähistorie (www.pole-prehistoire.com) in Les Eyzies- de-Tayac (Eintritt frei). Hier geht es weniger um die Funde sondern mehr um die Frühgeschichte mit Anschauungsbeispielen besser zu verstehen.

im "Atelier" von Lascaux 4

im “Atelier” von Lascaux 4

Doch das, was die meisten Menschen mit „dem Tal der Vézère“ verbinden, ist eine 1940 bei Montignac entdeckte Höhle mit (damals) unfassbar gut erhaltenden Höhlenmalereien, die angeblich Pablo Picasso zu dem Satz „Nichts haben wir dazugelernt!“ bewegt haben sollen. „Sixtinische Kapelle der Steinzeit“ nannte der Prähistoriker Abbé Breuil diese Grotte mit ihren Zeichnungen zu Tieren wie Stieren, Wildpferden, Auerochsen, Hirschen, einem „Einhorn“, einem Rentier, einem Bär – und einem Strichmännchen als einzige Darstellung eines Menschen aus der Zeit von vor ca. 15.000 bis ca. 20.000 Jahren. Die Originalhöhle („Lauscaux I“) ist seit dem Jahr 1963 geschlossen – zuviele Touristen sorgten dafür, dass die (ironischerweise genau 1963) Malereien unter der „Klimaveränderung unter der Erde“ (Körperwärme der Menschen, erhöhte Luftfeuchte etc.) zu zerfallen und verschwinden drohten. Es folgte 1983 nur wenige Meter neben dem Original der künstliche Nachbau der Grotte als „Lauscaux II“ mit einer exakten Nachbildung des „Saales der Stiere“ und dem axialen Seitengang, später die weltweit zu sehende Wanderausstellung „Lascaux III“ (derzeit bis mindestens 2020 noch zu sehen, z.B. vom 18. Juni bis 8. September 2019 z.B. in München).

architektonisches Highlight: das "Centre International d’Art Pariétal – Lascaux IV"

architektonisches Highlight: das “Centre International d’Art Pariétal – Lascaux IV”

Am 15. Dezember 2016 wurde das außergewöhnliche „Centre International d’Art Pariétal – Lascaux IV“ (www.lascaux.fr/de) am Ortsrand von Montignac eröffnet. Im Vergleich zu Lascaux II wurden die Höhle in einer erweiterten Fassung mit Beton, Styropor, Stahl und Acyrlharz in 1:1 (abgesehen mal von den behindertengerechten Gehwegen in der künstlichen, aber maßstabsgetreuen Grotte) nachgebildet. Nach der Führung (meist auf französisch, in den Sommermonaten gibt es auch einzelne Führungen auf englisch und deutsch) gelangt man innerhalb des architektonisch gelungenen Baus in das „Atelier von Lascaux“, in dem einzelne Fresken wie Gravuren 1:1 ebenso nachgebildet wurden – und für den Besucher mit multimedialer Unterstützung detailliert erklärt werden.

Im Atelier von Lascaux 4

Im Atelier von Lascaux 4

Und so darf man endlich auch das machen, was heutzutage normal ist: Ein „Selfi“ mit den Wildpferden oder Stieren von Lascaux. Ok, das ist die jüngerer Generation – die ältere steht nur staunend vor den zum greifen nahen Repliken, fotografiert mit analogen wie digitalen Kameras – oder läuft andere Besucher nervend mit Smartphone filmenden durch das Atelier. DSGVO? Fehlanzeige. Weitere Räume sind für moderne Interpretationen und Lichtinstallationen vorhanden, ein Kinosaal und Räume für Sonderausstellungen. Im Restaurant außerhalb des Museums kann man die Wartezeit mit einem (sorry: miserablen) Kaffee überbrücken oder auch Mittag essen – so man es (in der Hauptsaison) versäumt hat, seine Eintrittskarte im Voraus online zu buchen. Nun mag man meinen, dass 20 Euro Eintritt teuer sind (Preis 2019), aber was man für sein Geld erhält, ist es wert – die Erinnerung wird lange, sehr lange haften bleiben, insbesondere wenn man schon in Lascaux II war, dort nicht fotografieren durfte – und man nur für teures Geld Dias kaufen konnte, die heutzutage in irgendwelchen Kästen in den Tiefen des eigenen Kellers schlummern.

Eingangsbereich der Höhle Font-de-Gaume

Eingangsbereich der Höhle Font-de-Gaume

Ähnlich faszinierend ist die nur einen Kilometer östlich von Les Eyzies-de-Tayac liegende Höhle Font-de-Gaume (font-de-gaume.monuments-nationaux.fr/fr/): Hier kann man noch die 1901 entdeckte Originalhöhle über einen vierhundert Meter langen Hangaufstieg mit ihren mehr als 200 gemalten und gravierten prähistorischen mehrfarbigen Kompositionen oder Einzelszenen von Rentieren, Hirschen und Bisons, Wisenten und Pferden, Mammuts und Nashorn – sowie menschlichen Darstellungen besichtigen. Doch auch hier wurde der Tourismus zuviel, die Besucherströme sind auf 80 Personen pro Tag inzwischen begrenzt. Eine Ticketvorbuchung ist zwingend notwendig, morgens an der Tür stehen und hoffen, dass man noch einen Platz ergattert, ist in den Sommermonaten ein nicht lösbarer Wunsch.

Le Village de la Madeleine

Le Village de la Madeleine

Wem Lascaux, Font-de-Gaume, Les Combarelles, Rouffignac („Höhle der 100 Mammuts“), der Abri de Cap-Blanc oder auch die Grotte de la Marie in Teyjat mit ihren Malereien und Gravuren nicht reichen, kann in der Zeit deutlich nach vorne reisen – und landet so im Zeitalter des Magdalenien: ca. 18.000 bis 12.000 vor Christus, bekannt auch als das Ende der letzten Eiszeit. Der dem Zeitalter gebende Name ist ebenso im Tal der Vézère zu finden – im „Le Village de la Madeleine“. An einer Schleife der Vézère an einem Südhang in den Felsvorhang liegend, sind prähistorische Spuren aus der Magdalenien-Zeit (ca. 17.000 v.Chr.) gefunden worden. Dieser Felsvorhang wurde bis in das Mittelalter hinein von den Menschen als Wohnstätte benutzt. Die Ruinen im Felsvorsprung sind für 5/7 Euro (Preise 2019) zu besichtigen, berühmt ist die gotische Kapelle auf bzw. in dem Kalkfelsen.

La Roque Saint-Christophe

La Roque Saint-Christophe

Weiter durch der Zeit reisen kann man am La Roque Saint-Christophe (www.roque-st-christophe.com), dessen erste Besiedelung bereits vor ca. 25.000 Jahren nachgewiesen wurde – und bis ins Hochmiittelalter hinein reicht. Faszinierend auch das „La Maison Forte de Reignac“ (www.maison-forte-reignac.com). Hier reichen die ersten Besiedelungsspuren bis 15.000 v.Chr. zurück, heute sieht man noch die Version aus dem Jahr 1500 n.Chr. und kann diese „Burg im Felsen“ besichtigen.

Saint Leon sur Vézère - ein frisch gerichteter Ort lädt zum Bummeln in den alten Gassen ein.

Saint Leon sur Vézère – ein frisch gerichteter Ort lädt zum Bummeln in den alten Gassen ein.

Weitere „Highlights“ des „Tal der Vézère“ sind die „Grottes du Roc de Cazelle“, der „Abri Cro-Magnon“, der „Abri du Poisson“, „Abri Du Moustier“, die „Grotte du Grand Roc“, aber auch die Ritterburg „Chateau de Commarque“ … die Liste lässt sich nahezu unendlich fortsetzen. Mehr der Neuzeit und dem „heute“ zugewandt, sind die malerischen Orte wie Saint Leon sur Vézère, das Chateau de Losse mit seinen Gärten, sowie die (eher menschenleeren wie leeren) Häuser des mittelalterlichen Ortes Montignac (hier empfiehlt sich der Spaziergang durch die „Rue Archipretre Noel“).

in Tursac kann man auf der Farm die Enten und Gänsezucht in den Freigehegen sehen

in Tursac kann man auf der Farm die Enten und Gänsezucht in den Freigehegen sehen

Die Spezialitäten des Perigord kann man auf der Gänse- und Entenfarm von Toursac zwar eingedost sehen und kaufen, nicht aber probieren. Auch in Les Eyzies-de-Tayac werden Foie Gras und Confit de Canard angeboten, teils auch zur Verkostung angeboten. Doch man fühlt sich hier mehr als Tourist als Kunde. Wer wirklich testen und die Vielfalt der perigordinischen Küche entdecken und genießen will, sollte an einem Samstagvormittag nach Sarlat la Ceneda fahren und den Trödlermarkt wie Bauernmarkt in der historischen Kulisse das mittelalterlichen Städtchens genießen. Hier wurden bereits viele Historienfilme gedreht – und Hollywood-Stars gesichtet. Ein Kleinod der perigordinischen Küche ist das Hotel & Restaurant Laborderie in Tamnies – Top!

Malerisches "Märchenschloss": das Chateau Campagne am Unterlauf der Vezere

Malerisches “Märchenschloss”: das Chateau Campagne am Unterlauf der Vezere

Zwischen Les Eyzies-de-Tayac und St. Cirq weitet sich das Tal der Vézère, die Kalkfelswände weichen zurück, im Tal werden große Wiesen und Äcker bewirtschaftet. Malerisch liegt das Chateau de Campagne am Talrand, unter die Erde geht es wenig weiter am „Gouffre de Proumeyssac“. In Le Bugue schiebt sich die Autokolonne durch die engen Gassen parallel zum Fluss, bevor man im Ort Limeuil den Zusammenfluss der Vézère mit der Dordogne erleben kann. Zwei hier recht träge Flüsse, die sich geruhsam zu einem noch größeren Flusslauf vereinen. Geparkt wird auf zwei großen Parkplätzen vor dem Ort (ja, die teuren Parkscheine dienen zur Finanzierung des Ortes…), der gut zu Fuß erreichbar ist – und über seine mittelalterlichen Gassen erkundet werden will. Wer acht Euro (Preis 2019) übrig hat, kann sich von den Schildern „terrasse panoramique“ (ohne Preishinweis) bis hoch auf den Gipfel des Hügels locken lassen. Ganz ehrlich: ein bisschen teuer der Blick. Genauso schön (und kostenfrei) ist der Blick auf Limeuil (mit der Sonne im Rücken) von der Dordognebrücke gegenüber. Und wer dem Charme der Dordogne und ihren riesigen Flußschleifen (Cingle) erliegt, kann diese u.a. von den Aussichtspunkten des „Cingle de Tremolat“ oder auch vom Beynac aus genießen. Doch dies ist eine andere Tour, die gerne HIER auf dieser Webseite nachgelesen werden kann 🙂

© Text (18.06.2019) und Fotos (2005 bis 2019) Hans-Martin Goede – gerne erfragen Sie weiteres hochauflösendes Bildmaterial aus unserer umfangreichen Datenbank, wir lizensieren Ihnen gerne gewünschte Motive. Einige Bilder gibt es auch bei AdobeStock HIER.

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