09.09.2004 / 04.09.2011 / 03.09.2015 – Bereits im August/September 2002 besuchten wir die Auvergne, damals das westlich gelegene Cantal, heuer das östlich des Puy de Mary gelegene Margeride und Velay. Diese Region ist mehr hochebenenartig geprägt mit langen Höhenzügen und dennoch immer wieder tief eingeschnittenen Tälern wie das der Allier und aber auch der Loire, die in dieser Region ihre Quellen hat. Der Höhenunterschied beträgt in der Auvergne bis zu 1.400 Meter, doch das durchschnittliche Höhenniveau ist so etwa bei 900 Metern zu sehen, die meist bewaldeten (alten Vulkan-) Berge sind in der Regel um die 1.300 Meter hoch.
Von Deutschland aus erreicht man die Region über St. Etienne via der RN 88, die sich hier zielstrebig in die Höhe schraubt. Kurz hinter St. Etienne wechselt die bergige Landschaft ihren Charakter, die berühmten alten Vulkankegel erstrecken sich in alle Himmelsrichtungen soweit das Auge reicht. Rund 60 Kilometer nach St. Etienne erreicht man die alte Pilgerstadt Le Puy-en-Velay, vom Hochmittelalter bis ins 17. Jahrhundert Startpunkt des “Jakobsweges”, dem Pilgerweg nach Santiago de Compostella.
Die Route von Le Puy aus galt als die schwierigste und gefährlichste aller Pilgerrouten – und hat man erst einmal diese aus heutiger Sicht berauschende Landschaft kennengelernt und denkt sich 500 oder mehr Jahre zurück, ist es verständlich: Tiefe Talschluchten, windige Hochebenen, dünn besiedelt – nicht gerade eine komfortable Gegend und mit sicheren Wegen ausgestattet. Und auch heute starten viele Menschen von hier aus Richtung Spanien, sei es aus religiösen Gründen oder einfach nur um die alte “Via Podensis” als Wanderer des GR 65 zu erkunden und zu genießen. Le Puy war wie alle Wallfahrtsorte rasant gewachsen, die Kathedrale mit ihrem historischen Kreuzgang aus dem 12. Jahrhundert ist das kirchliche Zentrum, über ihr tront auf dem steilen Felsen die Madonnenfigur Notre Dame de France, die aus dem Metall Kruppscher Kanonen 1871 gegossen wurde. Oben angekommen, eröffnet sich ein grandioser Rundblick über die verwinkelte Stadt und im Rücken sieht man auf einmal das weitere Wahrzeichen der Stadt: St. Michel d`Aiguilhe, die romanische Kapelle auf dem mit über 270 Stufen zu erreichenden Basaltkegel.
Dem GR 65 (Jakobsweg) folgend geht es weiter nach St. Privat d`Allier. Steil fällt das Hochplateau hier gut 400 Höhenmeter nach unten ab, in der Sohle schlängelt sich neben der Allier auch die Eisenbahnlinie durch – man hat das Gefühl, von oben auf eine Modellbahnanlage zu schauen. Südöstlich von St. Privat liegt in den Monts du Devés der Lac du Bouchet. Es handelt sich um einen absolut kreisrunden Vulkansee, der bis heute nicht richtig erforscht ist. Rund 28 Meter tief ist er im Zentrum, Bohrungen haben ergeben, dass nach einer Ablagerungsschicht erneut Wasser zu finden ist und darunter sich der verstopfte oder erstarrte (Höllen-) Schlund des alten Vulkans befinden muss. Die 4 Kilometer Rundmarsch macht man in beschwingten wenigen Minuten und wer abgebrüht genug ist, kann auch einmal in diesem eisig kalten Wasser schwimmen.
Zurück in St. Privat sollte man unbedingt der D301 folgen und sich hinunter nach Prades begeben. Das wohl mit berühmteste Fotomotiv der Auvergne öffnet sich dem Besucher am Fluss mit den aus erstarrten Vulkangestein bestehenden “Orgelpfeifen”, die Basaltprismen von Prades – Treffpunkt aller Kajak- und Raftingfreaks. 20 Kilometer weiter westlich landet man auf dem Hochplateau der Margeride in Saugues. Dieser Ort erlangte traurige Berühmtheit durch die Bestie von Gévaudan im 18. Jahrhundert. Ein nicht beschreibbares Tier riss jahrlang vor allem Kinder und junge Frauen in den Tod – die Bestie endete mit einem einfachen Schuss ohne identifiziert zu werden, mehr als 100 Menschen starben durch das Untier. Diese unglaubliche Geschichte wurde gar mittlerweile horrormäßig für das Fernsehen verfilmt.
Der GR65 biegt von Saugues aus nun nach Süden Richtung St. Alban über die Hochtäler ab (siehe unser gesonderter Bericht zum Jakobsweg aus 2015). Wie das Cantal die Heimat der Pfifferlinge ist, ist das Mageride die Heimat der Wiesenchampignons und Steinpilze. So nicht die Kommunen bereits rote Warnschilder angebracht haben (“Champignos sammeln verboten”….) ergeben sich für die geübten Pilzsammler trotz Weidevieh bis in die Hochlagen mit Glück binnen einer Stunden Berge an Steinpilzen, Maronenröhrlingen und anderen Pilzspezialitäten (selbst Kiefernsteinpilze konnten wir sichten!), die Wiesenchampignons kann man bei dieser Steigerung fast schon wieder vergessen… In trockenen Jahren hingegen gerät die Pilzsuche auch mal zu einem Schlag ins nicht vorhandene Wasser – das Margeride ist da sehr empfindlich was Trockenheit angeht.
Während der GR 65 nun nach Südwesten Richtung Espalion weitergeht, schlossen wir den Erforschungskreis wieder Richtung Norden. Nach einem Besuch im Naturreservat der Europäischen Bisons gelangt man über die A75 sehr schnell an die Truyére, ein Fluss, der hier heute künstlich aufgestaut wird. Doch 1881 bis 1884 hielt sich hier eine berühmte Person auf: Gustave Eiffel lief bei der bahntechnischen Erschließung der Auvergne zur Höchstform auf und erbaute für 3,38 Millionen Francs und unter Einsatz von mehr als 3.200 Tonnen Eisen, Stahl, Blei und Gußeisen den Viaduct von Garabit, den “horizontalen Eiffelturm”. Auf diesem Bau beruhte übrigens seine Idee des Eiffelturm (erbaut 1887 bis 1889) für die Weltausstellung in Paris . Wenige Kilometer weiter nördlich gelangt man nach St. Flour, eine Stadt auf dem Basaltplateau und Geburtsstadt des früheren französischen Staatspräsidenten Georges Pompidou. Sehenswert sicherlich die wuchtige gotische Kathedrale, leider waren wir zur Mittagszeit dort und so waren die schweren geschlossenen Holztüren unseren suchenden Augen im Wege… denn die Kathedrale ist berühmt für ihre “Bon Dieu Noir”, eine schwarze Christusfigur aus dem 13. Jahrhundert, deren Herkunft und Bemalung mysteriös bleiben. In jedem Falle sollte man durch das Hoftor der Maison Consulaire gehen und die faszinierende Aussicht von der Stadtmauer aus auf die Berge der Margeride genießen…
Unser Fazit: die Auvergne ist weiterhin der Geheimtipp in Frankreich schlechthin. Entlang der Pilgerroute ist Essengehen eher wie Straßenräuberei mit Messer und Gabel, doch ein wenig abseits der Strecke und wenn man die notwendigen Geheimtipps kennt läßt es sich vortrefflich die lokale bzw. regionale französische Küche genießen. Am besten noch dazu mit einem Salers-Gentiane-Likör (und zwar nicht den 16-%igen jedes x-beliebigen französischen Supermarktes sondern den einzig wahren mit 25 % “Volumen”, erhältlich ausschließlich in der Auvergne!). Und auch der Rotwein ist den Franzosen im Jahrhundertsommer 2003 trotz Hitze und Trockenheit gut gelungen: der Cote du Rhone Village 2003 wird wohl außerordentlich excellent – wir haben ihn gekostet und waren begeistert!
Weiterführender Link zum Foire de Thoras auf unserer Webseite. Bericht überarbeitet und neu Bilder eingespielt 2011/2015.