Reiseblog: Insider Reiseziele und Urlaubtipps

Reisebericht: Cevennes

Morgenstimmung in der Cevennes

Morgenstimmung in der Cevennes

06. Juni 2008 – Wild, zerklüftet, im Frühsommer im frischen grün, im Sommer im trockenen braun und im Herbst gold-rote Kastanienbäume – das ist die Cevennes zwischen Millau und Nimes im Süden Frankreichs. Die Vegetation reicht von den rauhen Hochtälern bis runter ins mediterrane provenciale der Carmargue zwischen Nimes und Arles, ein breites Spektrum auf weniger als 100 Kilometer, wie man es in Frankreich sonst nirgends findet.

Geschichtlich vorbelastet ist die Cevennes wie kaum eine andere Region in Frankreich. Stritten sich die französischen Adeligen eher zwischen Paris, den Schlössern der Loire und den französisch-englischen Kriegen um Aquitanien, prägten die französischen Religionskriege der “Kamisarden” (den französischen Protestanten) und der katholischen Kirche (mit dem zeitweiligen Papst-Amtssitz Avignon) direkt vor der Haustür eine Region, die im Winter pro Quadratkilometer ebenso wenig Menschen beherbergt wie der Süden Grönlands.

das malerische Künstlerdorf St. Martial schmiegt sich wie im Bilderbuch an den Berghang

das malerische Künstlerdorf St. Martial schmiegt sich wie im Bilderbuch an den Berghang

In den Sommermonaten hingegen herrscht hier touristisches Treiben, geschäftig werden Bergdörfer wieder hergerichtet, in Ferienhäuser und “Gites rural” umgewandelt und an die erholungssüchtigen Franzosen (und andere Europäer) für teures Geld vermietet. Schaut man sich die Preise einiger Ruinen oder Appartements bei den unzähligen Immobiliers an, kann man meinen, gleich- oder höherwertige Häuser in Metropolen wie London, München oder Paris regelrecht zum Spotpreis bekommen zu können.

Nimes erreicht man von Deutschland aus in wenigen Stunden via der “Autoroute du Sud”, auch an die Ausläufer der Cevennes gelangt man über Route Nationales und Departement-Straßen entspannt und zügig. Aufregend und zeitraubend aber die Einfahrten in dieses Gebirge, dem südlichen Zipfel des Massif Central. Schmäler und schmäler werden die Straßen, am Ende kaum mehr als zwei Meter breit (möge kein Auto entgegen kommen!), zu manchen Ferienhäusern führt gar am Ende nur noch ein angeblich befahrbarer Feldweg mit einem Gefälle oder Steigung von deutlich über 20 %. Angenehmer Nebeneffekt dieser Region: wer die Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, wird hier fast überall fündig – nicht mal mehr die Mobiltelefone finden mehr einen Sender!

Wozu in die USA zum Colorado-River wenn es in der Cevennes mit dem Cirque de Navacelles ebenso grandiose Schluchten hat?

Wozu in die USA zum Colorado-River wenn es in der Cevennes mit dem Cirque de Navacelles ebenso grandiose Schluchten hat?

Die Cevennes ist in ihren südlichen Teilen von Karstgebirge (Kalksandstein) geprägt. Wilde, zerklüftete Berge, spärlich bewachsen an den Südseiten, dicht bewaldet auf den Nordhängen mit Kastanien und Nadelbäumen, durchzogen von Ginsterbuschlandschaften und weissen Felsen. Sporadisch schauen doch immer wieder noch Reste von Lavaströmen aus den Berghängen heraus – die nähe zur Auvergne im Norden läßt sich nicht verleugnen. Die Karstlandschaft bewirkt das schnelle versickern der Regenfälle – und bringt doch bei den immer wieder mal sintflutartigen Unwettern in den Flusstälern (“Gorges”) Wasserstandshöhen zustande, bei denen man ohnmächtig auf die Höhe der Markierungen an Hauswänden hinaufsieht. Blickt man nach unten, liegt ein vielfach ausgetrocknetes Bach- oder Flussbett zu Füßen, die Häuser sind meist schon mehrere Meter höher, doch die Markierungen gehen vielfach bis ins erste Obergeschoss! Dieses Ausspülen der Berge birgt aber geheimnisvolle Welten unter der Erde. Grotten finden sich an vielen Stellen, die “Grottes des Demoiselles” nahe Ganges ist in ihren Höhen- wie Tiefen-Ausmaßen atemberaumend – und zugleich Schauplatz von Konzerten dank einer unglaublichen Akkustik.

der Mont Aigoual ist mit 1565 Metern Höhe und einer alten, öffentlich zu besichtigen Wetterstation der zweithöchste Berg der Region

der Mont Aigoual ist mit 1565 Metern Höhe und einer alten, öffentlich zu besichtigen Wetterstation der zweithöchste Berg der Region

Aus den Tiefen der Berge heraus kann man sich anschließend entlang des Herault, Heimat der Kanuten- und Kajak-Fahrer, in Serpentinen auf den Mont Aigoual auf rund 1.565 Meter Höhe hinaufschrauben. Ganz ausgeflippte Tour-de-France-Fans können (mit oder ohne Doping) gerne die Strecke auch mit dem Rad raufstrampeln. Grandios der Blick bei gutem Wetter bis runter ans Mittelmeer im Süden, im Osten das Rhone-Delta, im Südwesten am Horizont schimmern die kantigen Pyreneen und im Norden erschlägt einen der Blick in die Berge des Margeride. Aber ein Ausflug hierher sollte gut geplant sein: zusammengerechnet rund 10 Monate im Jahr ist der Berg in Wolken – wer im Nebel dann dort oben ankommt, bleibt aber nicht “sichtlos” sondern kann die hier seit 1896 von Meteo France betriebene Wetterstation besichtigen und per Satellitenbild LIVE von oben auf die Wolken blicken.

Jeder kennt den Colorado River und den Grand Canyon? Doch wozu in die Ferne schweifen, wenn was Gleiches liegt so nahe? Die Schluchten der Cevennes haben nicht nur wilde Flüsse – sondern auch Canyons! Und das nicht zu knapp. Rund 500 Meter geht es schier senkrecht hinunter: am Cirque de Navacelles gibt es mit den bekanntesten Flecken der Region. Eine abgeschnittene Flussschleife am Grunde der Gorge. Ein Wasserfall an der “Flussabkürzung” läßt romantische Stimmung aufkommen (allerdings nur, wenn der Punkt nicht von dutzenden Touristen gleichzeitig heimgesucht wird!).

Kajakfahren, Wandern, Höhlen forschen, Bergsteigen… all dies bietet die abgeschiedene Cevennes. Wir können diese Region uneingeschränkt empfehlen, allerdings nur außerhalb der Hochsaison. Denn im Sommer muss es hier voll sein wie im Louvre in Paris.

Montpellier - die herausgeputzte neue Einkaufsmetropole am Mittelmeer

Montpellier – die herausgeputzte neue Einkaufsmetropole am Mittelmeer

Wem die Berge nicht reichen, der sollte in jedem Falle die die Weiten des Rhone-Deltas aufsuchen, das Zentrum der römischen Kultur vor rund 1.900 Jahren in Gallien. Montpellier ist herausgeputzt wie nie, die Stadt glänzt im Marmor, die Geschäfte im mittelalterlichen Zentrum bieten alles, was das Herz begehrt. Selbst auf Deutsch wird man auf den Einfallsstraßen begrüßt, Park&Ride ist dank des modernsten Straßenbahnsystems Frankreichs einfach zu nutzen. Letztlich lockt aber auch das “Centre Ville” mit mehr als 12.000 Parkplätzen – allerdings um aus dem minimalst beschilderten Straßenchaos der Innenstadt wieder herauszufinden braucht es anschließend gute Nerven!

Schnell erreicht ist nach rund 50 Kilometern via RN oder Autobahn das römische Nimes. Ein bischen enttäuschend nach dem Einkaufs-Erlebnis von Montpellier, doch ebenso reich an historischen Stätten: neben dem Tour (Wachtturm der Römer) sind die Arena (Amphitheater) und der Diana-Tempel (alles in den Jahren nach Christi Geburt entstanden) die Highlights der Stadt. Man sollte sich beim Eintritt die Infotafeln genau ansehen: als Familie kann man das “Kombiticket” für alle 3 römischen Artefakte günstiger erhalten als 4 Einzeltickets allein gültig nur für die Arena! Heuer in 2008 um 60 Cent günstiger…

römisches Erbstück: der Pont du Gard

römisches Erbstück: der Pont du Gard

Ist man erst einmal auf den Spuren der Römer, geht der Weg weiter den Fluss Gard aufwärts folgend zum Pont du Gard, einem riesigen Römer-Aquädukt, erbaut von 38 bis 52 nach Christus, um die Wasserversorgung von Nimes (damals “Nemausus”) zu sichern. 5 Euro kostet der Parkplatz, das Viadukt selber ist kostenfrei zu besichtigen. Für etwas menschenleere Fotos braucht man viel Geduld, Bereitschaft durch die Umgebung zu streifen und auf “den Blick” hoffen oder gute Bildbearbeitungssoftware für die Bildretusche daheim.

Arles an der Rhone schließt den Reigen der römischen Antike der Region. Deutlich restaurierter hier die Arena, in der Restaurierung auch das römische Theater der Stadt, die Thermen kann man getrost “links liegen lassen” – im Mittelaltern wurden auf deren Grundmauern viele Häuser gesetzt und es ist nur noch ein kleiner Teil zu besichtigen. Da rentieren sich Besuche römischer Thermen im deutschen Südwesten (wie Weissenburg in Bayern) doch schon eher. In Bayern handelt es sich zwar nur um Ausgrabungen ohne Mauerwerk, doch kann man hier eher diese fantastische Technologie der Antike erkennen und verstehen als in Arles.

die Camargue ist nicht nur Europas größtest Reis-Anbaugebiet sondern auch Heimat der weissen Wildpferde und schwarzen Stiere

die Camargue ist nicht nur Europas größtest Reis-Anbaugebiet sondern auch Heimat der weissen Wildpferde und schwarzen Stiere

Wer nun genügend Kultur genossen hat, sollte den Rundkurs über die Camargue schließen, das größte Reisanbaugebiet Europas. Im Hochsommer ein Mückenparadies, im Frühsommer in den Abendstunden ein Erlebnis für Jung und Alt: am Etang de Vaccares stolzieren die freilebenden Flamingos durchs Brackwasser, die schwarzen Stiere der Camargue finden sich auf Zuchtweiden – oder in weiter Entfernung zwischen Büschen und flachen Bäumen erkennbar auch als freilebende Rinder. Und wer pferdenärrische Töchter im Auto hat, sollte die abgelegenen Straßen zwischen Arles und Port St. Louis abfahren – irgendwann hinter einer Biegung stehen sie dann – die weißen Pferde der Camargue als stolze freilebende Herde. Einzelne Camargue-Pferde stehen fast überall auf Bauernhöfen oder an den vielen Reitstationen für die Touristen – der wahre Kenner sucht aber abseits und braucht neben einem guten Teleobjektiv auch manchmal etwas Geduld…

Apropo Avignon – da war doch noch was?! Wen es wegen fehlender Kinder nicht zu den Pferden in die Camargue zieht, der sollte von Arles aus nach Norden Richtung Avignon abknicken. Nicht dass der alte Papstpalast und die grandiose Kulisse der historischen Stadtmauer keinen Reiz hätten – aber die französischen Päpste wußten auch, wo guter Wein gemacht wird. Rund um das Chateauneuf-du-Pape werden seither exquisite Weine angebaut: Das besondere ist, dass die Reben nicht auf normalen Erdböden stehen, die kahl oder bewachsen sind, sondern der Boden ist mit “Galets” (große, runde, wärmespeichernde Steine) sowie roten Lehm versehen. Dies – und natürlich die Veredelung in den Kellereien machen den Wein dieses Ortes einzigartig.

Jean-Baptiste Fruchaud von der Cave du Verger des Papes können wir als Kenner der göttlichen Weine von Chateauneuf-du-Pape nur wärmstens Empfehlen! Wenns nach ihm ginge, wären wohl fast alle Weine "smooth"!

Jean-Baptiste Fruchaud von der Cave du Verger des Papes können wir als Kenner der göttlichen Weine von Chateauneuf-du-Pape nur wärmstens Empfehlen! Wenns nach ihm ginge, wären wohl fast alle Weine “smooth”!

Wer eine Flasche Clos du Pape hat, erreicht Wertsteigerungen wie zuletzt der Goldpreis: der Jahrgang 2006 ist aktuell mit 72 Euro je Flasche zu haben… doch man muss nicht nur auf den Namen achten: Jean-Baptiste Fruchaud ist Kenner der Materie, hat diverse Kellereien in seinem römischen Ursprungs nachempfundenen Weinkeller direkt an der alten Ruine des Chateauneuf-du-Pape im Sortiment und hat auf französisch und englisch unglaubliche Sprüche parat – die Weinprobe mit ihm gerät zum Genuss und man muss hinterher aufpassen, nicht zuviel Geld auszugeben! À votre santé!

Weiterführende Links:

www.cevennes-tourisme.fr