05. September 2005 (© hmg) – Unser Reisetipp ist diesmal eigentlich kein richtiger Geheimtipp – es handelt sich eigentlich um eine sehr bekannte Region im Südwesten Frankreichs. Doch auch hier gibt es – wie wir merkten – noch Flecken, die selbst den Franzosen kein Begriff sind wie die alte Bastide Tournon d‘ Agenais nur 9 Kilometer südlich von Fumel (Lot) gelegen. Tournon, der Ausgangspunkt unserer Tour gehört zu den zahllosen Stadtgründungen im damals dünn besiedelten Aquitaniens des 13. und 14. Jahrhunderts. Was dem Besucher der heutigen Zeit den Atem verschlägt – die auf einem meist bergähnlichen hohen Felsen gelegene Stadtfestung – war damals reiner Zweck der Selbstverteidigung. Denn Aquitanien (heutiges Gebiet des Limousin, Perigord, Quercy, Bordelais und die Atlantikküste), damals Zankapfel zwischen England und Frankreich, war fruchtbar aber nicht sicher. Und so bauten Engländer wie Franzosen diese „Bastiden“, meist ein relatives Rechteck auf einem erhöhtem Punkt mit einer Kirche und Wohnhäusern, umgeben von haushohen Stadtmauern – wenn möglich sogar in den Fels integriert.
Tournon, majästetisch auf einem Felsplateau gelegen und in den letzten Jahren aufwändig restauriert, gibt ein (nicht so bekanntes) Bild dieser Zeit wieder (weltweit bekanntere Bastides sind u.a. Manpazier und Domme nahe Sarlat an der Dordogne). Von Tournon aus kann man einen Abstecher in das ca. 25 Kilometer südwestlich gelegene Frespech machen. Dort befindet sich das „Musée du Foie Gras“ auf einem Bauernhof, das die Geschichte der Pasteten, die bis zu den alten Ägyptern zurück reicht, in ihren Details wiederspiegelt. In der Küche kann man der Zubereitung der Foie Gras zusehen, einen Spaziergang durch den offenen Wald machen, auf dem die Tiere in „Freilandhaltung“ bis zur Schlachtung leben, und am Ende auch im dem Hof angeschlossenen Laden Pasteten aller Geschmacksrichtungen kaufen. Das Museum ist das ganze Jahr von 15 bis 19 Uhr, im Juli und August sogar von 10 bis 19 Uhr geöffnet (Eintritt: 4 Euro, inkl. einer kleinen „Degustation“).
Vom Query aus ein mit rund 230 Kilometern doch großer Sprung über die Garonne an die Atlantikküste zum Becken von Arcachon, dem Herzen der Austernzucht Frankreichs. Von La Rochelle bis an die spanische Grenze hinunter zieht sich ein gigantischer langer Strand; neben der Südbretagne und der Cote d’Azur Frankreichs wichtigstes Strandurlaubsziel für Sonnenhungrige. Im Juli und August wird man hier schier totgetrampelt – als Süddeutscher hat man da Dank der späten Ferien eher die Chance auf die Zeit Ende August/Anfang September auszuweichen, wenn die Franzosen selber wieder arbeiten bzw. deren Kinder zur Schule müssen und die Strände sich doch merklich leeren. An den Stränden gilt: nur den gröbsten Hunger vielleicht mit einem Crepes stillen und nicht auf die massenhaften Pizzerien und sog. „Restaurants“ gehen. Abends dann lieber auf die Restaurants mit dem Logo „Logis du France“ ausweichen oder gar nach Teste-de-Buch an den Hafen der Bucht fahren und in diesem so verschlafen wirkenden Nest im „Restaurant du Port“ direkt am Kai die nicht nur für das Auge sondern auch für den Gaumen geschmackvoll zubereiteten Speisen genießen. Der Sonnenuntergang am Strand ist an sich etwas Schönes – doch auf der „Dune du Pilat“, die mit rund 103 Metern Höhe (über 170 Stufen erklimmbare) größte Sanddüne Europas ist ein Naturerlebnis der besonderen Art.
Zurück am Lot geht unsere Tour weiter über Fumel zur mittelalterlichen Festung Chateau Bonaguil. Trutzig und schwer erhebt sich die von 1477 bis 1520 erbaute Burg über das flache Tal. Die mit zwei Verteidigungsringen, unterirdischen Gängen und schwindelerregenden Turmhöhen mit flachen Zinnen ausgestattete Festung wird von einer wahlweise französisch- oder englischsprachigen (11.30 Uhr) Führerin erläutert. Für das Mittelalter wäre diese Festung ein uneinnehmbarer Koloss gewesen, doch in der beginnenden Renaissance des 16. Jahrhunderts wirkt sie irgendwie ein bischen fehl am Platz und ist doch die letzte verbliebene „Ritterburg“ Frankreichs! Der Burgherr war allerdings nicht sehr vermögend – es lebten kaum mehr als 30 Personen in dieser Burg, davon bestenfalls 2 bis 5 „Ritter“. Denn diese waren teuer. Doch wer die Festung nach ihrer Führung kennt, weiss, dass es kaum mehr Männer gebraucht hätte, normale Angriffe geschickt abzuwehren.
Von Bonaguil aus ist es eigentlich nur noch ein Katzensprung bis an die Dordogne und das Zentrum der prähistorischen Urmenschen an der Vézéré mit den Touristenzielen Les Eyzies und Montignac (Lascaux, siehe Bericht über die Auvergne/Perigord). Ein wenig Abseits gelegen der „Abri du Cap Blanc“ im Tal der Beune. 1909 entdeckt, aber die Felsritzungen aufgrund der Grabungen im Hangboden nicht wahrgenommen und dadurch erheblich zerstört, das rund 15 Meter lange und in den Fels geschlagene Fries aus der Zeit von vor rund 18.000 Jahren mit Pferden und Bisons. Es wurde erst 1995 vor der endgültigen Zerstörung durch die Witterung mit einem Schutzhaus und Klimaausgleich gerettet. Dennoch kann es besichtigt werden und ist einmal etwas anderes als „nur“ die Wandmalereien der übrigen Höhlen.
Sarlat – dieser Stadtname steht für sich! Doch die touristische Entwicklung der letzten 10 Jahre ging auch an dieser historischen Stadt nicht spurlos vorüber. Die neben Périgueux wohl bekannteste Stadt des Perigord Noir ist wohl auch die Schönste. Nicht einzelne Häuser – nein, die ganze Stadt mit Gebäuden aller Epochen seit der Gründung vor mehr als 2.000 Jahren verleihen dieser Stadt ihren unvergleichlichen Charme. Doch dem Einzelhandel und den einstmaligen Wohnhäusern folgten dieser Jahre die Händler der Billigware, „Andenken-Kruscht“ und in jedem zweiten Haus gibt es Foie Gras aller Geschmacksrichtungen sowie Liköre und andere hochprozentige Köstlichkeiten aus Walnüssen, Eicheln, Kastanien und Pflaumen aller Art. Besonders bunt wird die Stadt samstags, wenn der Straßenhandel durch den Krämermarkt ergänzt wird und man sich durch die engen mittelalterlichen Gassen schieben lassen muss. Der meistfotografierte Fleck der Stadt, die Rue de la Liberté muss man wegen der unterschiedlichsten Fronten der Häuser gesehen haben.
Weiter geht die Fahrt über die Dordogne-Schlösser Beynac und Castelnaud, die überaus sehenswerte Bastide Domme die N20 entlang nach Cahors, der Hauptstadt des Quercy. Einst von den Römern als „Divona Cadurcorum“ gegründet, entwickelte sich diese strategisch ungemein günstig gelegene Stadt an einer flachen Flußschleife des Lot erst richtig ab dem 7. Jahrhundert. Die Blüte erfuhr Cahors durch Papst Johannes XXII. (1316 bis 1334), der seiner Heimatstadt Cahors eine Universität (aufgelöst im 19. Jhdt.) und die von italienischen Künstlern gestaltete Kathedrale hinterließ. Wahrzeichen des Cahors von heute ist die Pont Valentré, deren Bau 1308 begonnen wurde. Diese bis 40 Meter hoch ragende Verteidigungsbrücke machte die Stadt praktisch uneinnehmbar. Einstmals gab es 3 dieser Brücken in die Stadt, eine ging im Fluß Lot unter, die andere wurde vor rund 100 Jahren zugunsten einer modernen Brücke abgerissen (was Proteste in ganz Frankreich nach sich zog und der letzten Brücke „das Leben rettete“).
Von Cahors aus lohnt sich ein Abstecher zur Höhle Pech-Merle, deren Besichtigung in den Sommermonaten allerdings eine Reservierung erforderlich macht. Erst ab ca. Ende August geht die „Wartezeit“ auf etwa 3 Stunden zurück. Denn um die Höhlenkunst von vor 20.000 Jahren der Nachwelt zu erhalten, wurden die Besucherströme auf 700 Touristen am Tag, aufgeteilt in Gruppen zu je 25 Personen, begrenzt. Pech-Merle ist die einzige Höhle, die eine mehr als 10.000 Jahre alte „Kunstgeschichte“ aus der Zeit der Aurignacien (30.000 v. Chr.) bis ins Magdalénien (18.000 v. Chr.) aufweist. Doch dies hindert Besucher auch aus der heutigen Zeit nicht, alles anzufassen und zu „begrabbeln“. Und da Franzosen gesprochenes Französisch von Ausländern („Ne pas touche!“) nicht verstehen (wollen) hat ein mahnender Blick bzw. „Dont touch!“ leider auch kaum eine Wirkung… Wenigstens sind heute die meisten prähistorischen Kunstwerke inzwischen mit einem Maschendrahtzaun gesichert, doch das macht das Erkennen der Zeichnungen und Ritzungen nicht unbedingt leichter.
Um die Tour zu schließen, sollte man als Abschluss sich nun den namhaftesten Dingen der Region zuwenden – dem unverkennbaren Rotweinsorten rund um Cahors. Die Domains und Chateaus liegen praktischerweise in einem Zirkel westlich von Cahors und meist haben alle „ouvert“ und man kann sich von einer Degustation zur anderen hangeln. Dank des trockenen Bodens und der alten Traubensorte und deren Verarbeitung ist dieser Wein derart erdig-trocken, dass er seinen vollen Geschmacksgenuß eigentlich nur in Verbindung zu Käse, Wildfleisch und Pasteten entfaltet. Während die Weine entlang der D656 Richtung Tournon d‘ Agenais auf dem Plateau gelegen den rauhen trockenen und vielfach erdigen Geschmack haben, sind die Rebsorten entlang des Lot an der D8 geschmacklich spürbar fruchtiger. Während man in vielen Supermärkten Frankreichs und Deutschlands eigentlich nur den Oberbegriff „Cahors Noir“ kennt und kaufen kann, haben sich viele Wein-Domainen und Chateaus der Region dem „Recoltant“ verschrieben und keltern bzw. füllen selber ab. Doch leider gibt es diese Weine in der Regel dann auch nur „vor Ort“ auf dem Weingut bzw. in den umliegenden Supermärkten zu kaufen – doch dies lohnt sich mehr als eine allgemeine Genossenschaftsabfüllung des Cahors im Elsass zu erwerben!
© Text und Fotos Hans-Martin Goede