16. Januar 2003 – Norwegen, rauhes, kaltes Fjordland? Ja, manchmal, aber nicht immer! Während zum Beispiel in Mitteleuropa der Sommer 2002 ziemlich verregnet war, konnte Skandinavien einen Jahrhundertsommer vermelden mit 3 Monate Dauersonnenschein und Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad. Und dieses Glück muss man einfach dann haben (zugegeben: wir hatten es damals nicht…). Die Hauptreisezeit für Norwegen ist von Mitte Juni bis Mitte August, im Winter gelten aber „die Alpen des Nordens“ als sicherer Schneegarant, man erinnere sich nur an die Olympischen Winterspiele 1992 in Lillehammer.
Nach Norwegen gelangt man auf zweierlei Wegen – per Flugzeug nach Oslo oder Bergen, oder per Fährschiff von diversen Häfen an der deutschen Ostseeküste (u.a. Kiel) oder von der Nordspitze Dänemarks. Wir setzten damals per Schiff nach Kristiansand an der Südspitze Norwegens über, schraubten uns über die E18 über Mandal nach Flekkefjord und bogen auf die berühmte „Küstenstrasse 44“ ein. Was den Amerikanern die „Route 66“ ist, ist den Norwegern ihre „44“. Auch wenn die Berge hier nur rund 400 bis 600 Meter hoch sind, vom Meeresspiegel an ist das schon imposant genug, wenn die Straße, eng an den Berg gepresst, sich die Serpentinen, vielfach auch durch kurvenreiche Tunnel, die „Hügel“ hinauf- und hinunterschraubt.
Von Egersund an ist man schnell wieder auf der E18 und düst geradewegs weiter nach Stavanger, der Öl- und Hafenstadt Norwegens. Diese Stadt hat ein ganzes Stadtviertel mit traditionellen weißen Holzblockhäusern erhalten – wenn man nicht immer wieder einen Blick auf die Hafenbucht hat, könnte man sich glatt drin verlaufen. Per Autofähre kann man nun den Boknafjord überqueren und an der Nordseite entweder Richtung Bergen mit seiner altehrwürdigen Hansetradition abbiegen oder die E11 steil bergauf nach Odda nehmen, dem Südende des berühmten Hardangerfjord. Hier „durchquert“ kurz hinterm Pass die Straße einen der berühmtesten Wasserfälle: den Latefossen. Mit ohrenbetäubenden Getöse rauscht hier das Schmelzwasser der Gletscher den Berg hinunter – man steht davor und kann diese Naturgewalt kaum fassen. Wir schraubten uns dann weiter den Berg hinauf Richtung Røldal, dem Ort mit einer der wenigen, verbliebenen norwegischen Stabkirchen („Stavkirke“). Diese architektonische mittelalterliche Meisterleistung aus reinem Holz im Kirchenbau brachte in der Blütezeit der Christianisierung Skandinaviens hunderte dieser Bauwerke hervor, durch Brand und Verfall sind aber nur noch eine Handvoll (7 an der Zahl) dieser Bauwerke übrig geblieben. Røldal ist ein vielgenutzter Punkt, um zu Fuss in einen der größten Naturparks der Welt zu gelangen. Kein Strom, kein Weg, kein Steig, nur dünne Trampelpfade mit Wegmarken durchziehen dieses riesige Hochplateau des norwegischen Südgebirges auf 1000 bis 1800 Meter Höhe. Selbst im Hochsommer kann hier noch viel Schnee liegen.
Doch damit der Wanderer dieses Gebiet erkunden kann, gibt es alle 15 bis 25 Kilometer bewirtschaftete Berghütten des Norwegischen Alpenvereins, die man als Saisonmitglied jederzeit nutzen kann. Hier gibt es Fisch (Lachs, Forellen) zum Essen, fließend kalt Wasser aus dem Berg und eine Holzpritsche im Großraumschlafsaal für den müden Erkundungstrupp. Doch die Natur versöhnt (bei gutem Wetter) mit gigantischen Fernblicken, Natur pur ohne Menscheneinwirkung – eine Region, um in sich gehen zu können. Einige Hartgesottene kampieren hier sogar nachts lediglich mit einem wasserdichten Schlafsack… Diese Touren, die man, um zum Auto zurückzugelangen, gut vorausplanen muss, setzten mindestens 2-3 Tage Fußmarsch mit im Schnitt 20 Kilometer pro Tag voraus, nichts für Gelegenheits-Wanderfreunde, denn das Gepäck mit Ersatzkleidung, Schlafsack und Verpflegung für 2 Tage auf dem Rücken wiegen ziemlich schwer, wenn es mal eben den Berg 300 oder 400 Meter aufwärts geht.
Hans-Martin Goede, Thomas Sadowsky, Oliver Schulz, Roland Finsterer © 1993Norwegen mit den Hurtigruten entdecken: