17. September 2010 – Wenn man durch die Souvenir-Shops in Schottland streift, fällt vor allem ein Geschirrhandtuch mit einer (natürlich auf englisch geschriebenen) Sage auf, die wir sinngemäß ins Deutsche übersetzt unseren Lesern nicht vorenthalten wollen: „Als Gott die Erde schuf, kam ihm eine ganz besondere Idee. Er sagte zu Gabriel: ‚Ich will ein Land schaffen, das seinesgleichen sucht! Wilde Berge, tiefe Fjorde, unberührte Natur mit wellenumtosten Küsten, die Menschen sollen dort ein unvergeßliches Getränk herstellen, den Whisky. Ich will dieses Land Schottland nennen!‘ Gabriel erwiderten irritiert: ‚Warum willst Du all diese Schönheit auf einen Erdflecken konzentrieren und nicht gleichmäßig verteilen?‘ Da schmunzelte Gott und meinte: ‚Gabriel, Du weisst noch nicht, wen die Schotten als Nachbarn haben werden!‘.“ Nun denn, ich hoffe, die Engländer, die diesen Text lesen, sind uns nun nicht allzu böse und tragen diesen wahren Scherz mit „britischem Humor“!
Doch es muss etwas Wahres an dieser Geschichte sein – denn wir können diesen schönen Landstrich nur wärmstens empfehlen! Gewarnt wurden wir: ‚dort regnet es dauernd, es ist kalt und windig, die Menschen sind schrullig und sparsam. Wandern? Keine Wege, die Pflanzen ramponieren Euch die Hosen, kauft unbedingt Gamaschen!‘ Und vieles mehr durften wir uns während der fast ein Jahr dauernden Vorbereitungen anhören. NICHTS VON ALLEDEM IST WAHR! Regen? Ja, zusammengerechnet 7 Stunden (3+3+1 Stunde an 3 von 15 Tagen, ansonsten war es sonnig, um die 20 Grad warm, mitten im September! Schrullige und sparsame Schotten? Freundlichst wurden wir behandelt, immer willkommen geheißen, man freute sich Menschen aus Deutschland begrüßen zu können – begeistert erzählte uns fast jeder Schotte, dem wir begegneten, wie schön und unvergeßlich Deutschland sei, sie wären alle schon bei uns im Urlaub gewesen… Und keine Wege zum Wandern? Mitnichten – wandern kann man überall, Wanderkarten für die Highlands und Inseln gibt es für jeden Abschnitt (wir nutzten die Ordnance Survey Karten in 1:25.000), die Wege sind breit genug (teilweise bis zu 2 Meter) und Gamaschen haben wir keine Sekunde gebraucht (auch nie angeschafft).
Da wir nun mit den Vorurteilen und der Entstehung Schottlands angefangen haben, gehen wir zur Frage über, wie man aus Deutschland an diese mysthische Ecke der Welt gelangt. Es gibt drei Wege:
1) mit dem eigenen Auto (3 Tage Anfahrt mit 1-2 Übernachtungen sind notwendig, Fähre entweder über den Kanal oder besser gleich bis Newcastle. Das ist aber alles nervenaufreibend und kostet Urlaubstage – Anfahrts-Kosten für eine 4-köpfige Familie ca. 1.200 Euro).
2) mit der Bahn (per ICE nach Paris, TGV nach London und dann wirds kompliziert – Reisezeit ebenso 2 Tage! Kosten haben wir gar nicht erst abgeklärt….
3) am schnellsten und entspanntesten fliegt es sich…. Glasgow und Edinburgh zählen zu den größten Flughäfen Großbritanniens. Urlaubsflieger oder Pauschalangebote sind rar bis nicht vorhanden – Linienflüge der Standard. Und bucht man diese (wie wir) 10 Monate im Voraus, geht es pro Person für weniger als 200 Euro hin und auch wieder zurück. Aufwand je Richtung: gerade mal 6 Stunden im Maximum.
Vor Ort sollte man sich dann ein Auto mieten – oder man fährt mit den Überlandbussen von Ort zu Ort. Diese Buslinien sind uns in Schottland mit ihren farbenfrohen Bussen sehr oft positiv aufgefallen. Es gibt einen Taktverkehr – nicht gerade dicht, aber es geht! Wir jedenfalls haben ein Auto angemietet – sehr praktisch beim Linksverkehr, weil man sich nach kurzer Umstellung sehr gut angepasst hat. Nervig ist nur das Schalten mit Links – da schiebt man den Hebel lange Zeit in die falsche Richtung… sehr positiv fiel uns auf den schottischen Straßen die SPARSAME Beschilderung auf – und trotzdem kamen wir überall an, auch ohne Navi. Zurück in Deutschland wurden wir von der wahren Schilderflut regelrecht erschlagen um nicht zu sagen überfordert….
Schottland im Gesamten kann man in zwei Wochen nicht erforschen. Man sollte sich eher bei einer zweiwöchigen Tour auf zwei Stützpunkte verteilen – wir wählten die Ross-shire (nahe Skye) im Westen und Banffshire an der Nordseeküste im Osten. Der Norden und Süden (Lowlands) bleibt unserem nächsten Besuch vorbehalten. Denn wenn man etwas in Schottland haben muss, dann ist es ZEIT! Für Unterkünfte empfehlen sich übrigens nicht nur Hotels, sondern durchaus preiswerte Ferienhäuser wie Bed&Breakfast-Angebote.
Die Straßen gehen nunmal nicht geradeaus sondern drücken sich zwischen Lochs und Steilhängen durch, Serpentinen überall zum Wechseln der Glens (Täler). Was Luftlinie sprichwörtlich nur Meter entfernt ist, kann auf dem Boden der Tatsachen zwei Stunden Fahrt bedeuten. Die Insel Skye hatten wir eigentlich nur für zwei Tage eingeplant – am Ende waren es vier… aber nicht wegen der sich windenden Straßen (das war schon nebensächlich) sondern eher wegen der faszinierenden Landschaft. Skye ist wegen seines schlechten Wetters bekannt, Postkarten mit windzerzausten Wolken, wolkenverhangenen Bergen allerortens – doch wir sahen Skye fast ausschließlich im strahlenden Sonnenschein. Und dann entfaltet diese Insel mit ihren horrenden Immobilienpreisen ihren besonderen Reiz. Wir haben es abschließend als das „Sylt der Schotten“ getauft! Nach jeder Kurve bieten sich neue atemberaubende Ausblicke. Schon die Auffahrt auf die Insel über die Brücke von Kyle of Lochalsh bietet bei gutem Wetter auf Ihrer Spitze eine ungewöhnliche Sicht auf die Ostseite der Insel. Folgt man der A87, steigen die für die Insel mehr als berühmten „The Cuillin Hills“ immer höher auf – 300 Tage im Jahr in den Wolken. Und wir erwischten sie die ganze Woche lang wolkenfrei! Nimmt man die B8083 und wandert ab Kirkibost auf einem steinigen Landrover-Pfad nach Westen, steht man nach gut einer halben Stunde vor einem mehr als atemberaubenden Panorama, das sich mit Fotos kaum wiedergeben lässt. Man kann nun wieder zurück zum Auto gehen – oder gut ausgerüstet durch das Glen Sligachan nach Norden die Cuillin Hills durchwandern. Man sollte nicht den Umweg über die Bucht nehmen sondern den Hang des Blabheinn auf das An t-Sron queren: Nun weiss man, wo Tolkien für den „Herrn der Ringe“ seine Inspiration geholt haben muss: Blickt man auf das Loch na Creitheach, steht man selber in „Helms Klamm“, über die Ebene kommt das Heer der Orks von Saruman und über den Hang gegenüber braust Gandalf mit den Reitern von Rohan herab…. man muss nicht die Augen schließen, man sieht es auch so!
Portree ist der Hauptort von Skye – sehenswert der Hafen mit seinen vielen Segel- und Motorbooten, Wasserskifahrer pflügen durch die Bucht. Neben Fish&Chips gibt es auch gute Restaurants, das „Sea Breezes“ am Kai wie das „Isle Inn“ im Zentrum können wir uneingeschränkt empfehlen! Weiter geht es von Portree über die A855 nach Norden, am wohl berühmtesten Felsen der Insel, dem „Old Man of Storr“ vorbei zum „Kilt Rock“, einem Wasserfall, der über die Klippen ins Meer hinabstürzt. Kurz vor Kilmuir steht das sehenswerte Inselmuseum, das mit seinen reetgedeckten geduckten Hütten und Ausstattung einem das karge Inselleben von einst vermittelt. Nicht verpassen sollte man Dunvegan Castle, die letzte seit ihrem Bau vor 700 Jahren durchgehend bewohnte Burg Schottlands. Sehenswert der vorgelagerte Park mit seinen einzigartigen Blumen, die im milden Golfstromklima hier blühen. Folgt man der Straße hinter dem Schloss nach Claigan, kommt zunächst ein Parkplatz – und nach 10 Minuten Wanderung ein strahlend weisser Sandstrand mitten in Schottland. Klares Meerwasser lädt zum baden ein (etwas Mut für kaltes Wasser braucht es!) und trocknet man sich am Strand, rinnt nicht Sand durch die Hände, sondern feine Korallen – man liegt direkt an Schottlands einzigem Korallenriff… Abends ist bei gutem Wetter (oder auch Orkan) die kurvenreiche Single-Road mit ihren Passing Places zum Neist Point Lighthouse zu nehmen. Ein grandioses Panorama rund um den Leuchtturm und klare Sicht bis zu den Äußeren Hebriden lassen einen nicht mehr los.
Pflicht ist natürlich auch der Besuch der Talisker Distillery in Carbost auf Skye. Der rauchige Geschmack dieses Spitzenprodukts schottischen Whisky`s ist Pflicht jeden Liebhabers des „Water of Life“. Man sollte hier auch unbedingt das (deutsche) Aufnahmeformular der „Friends of Classic Malts“ (www.malts.com) VOR dem Bezahlen der Führungskosten (5 Pfund) ausfüllen und abgeben: dann ist der Eintritt in weitere 11 Distillen Schottlands umsonst und man bekommt für jede gekaufte Flasche 3 Britische Pfund abgezogen. Auf diese Weise werden die Whiskykäufe vor Ort günstiger als in jedem Supermarkt in Schottland und unterm Strich je nach Pfundkurs auch noch günstiger als in Deutschland.
Wieder auf dem Festland ist der Weg nur minutenweit bis Eilean Donan Castle, der berühmten Burg aus dem Film „Highlander“ aus dem Jahr 1986. Statt in die Highlands wendeten wir uns vom Castle aus über die A890 nach Norden zum Lochcarron und seinen gleichnamigen Ort – mit einem hervorragenden Pub, wo man es abends mit dem Maßbecher für einen Whisky nicht so genau nimmt, wenn die Chefin nicht im Raum ist 🙂 Pflicht am Morgen danach sind die „Lochcarron Weavers„, deren Produkte inzwischen einen Weltnamen haben. Nicht zuletzt, weil die Queen Mum einst auch hier einkaufte…
Von Lochcarron geht es über den Pass auf die Halbinsel Applecross: der Pass zum Mealt Gorm mit seinen Serpentinen lud bei unserer Auffahrt auch eine „Horde Porschefahrer“ zum Motorzeigen. Ohrenbetäubend schallten die dreistelligen PS-Motoren durch das Glen. Minuten später empfängt einen wieder die Stille – und der Wind, der hier erheblich bläst. Umrundet man die Halbinsel gibt es am Loch Torridon genügend Möglichkeiten frischen Lachs geräuchtert oder anderweitig zubereitet direkt beim Hersteller zu kaufen. Über Kinlochewe kann man über die A832 nun nach Inverness auf die Nordseeseite wechseln. Oder man nimmt des Namens wegen den Umweg über Loch Ness nach Drumnadrochit, lässt sich von der Nessi-Phobie anstecken und schreibt Postkarten. Loch Ness selber lebt nur von seinem Namen – wer zuvor die Lochs der Highlands gesehen hat, ist hier vom Gesamtbild ziemlich enttäuscht. Man ist kurz vor dem „Schwarzwaldcharakter“…
Über Inverness (unbedingt ansehen, nicht wegen seiner Bauten sondern wegen seiner Einkaufsmöglichkeiten – hier kann man noch vernünftig shoppen!) geht unser Weg nach Elgin mit seiner Kathedrale. Sie wurde in den Wirren der Reformation zerstört, auch wenn noch bedeutende Reste erhalten sind.
Entlang der Küste des Moray geht es Richtung Aberdeenshire. Unterwegs liegen die sehenswerten Orte Cullen (Eisenbahnviadukt) wie Portsoy (Hafen aus dem 17. Jahrhundert, hier wurden einst die Whisky-Fässer verschifft). Über die optisch etwas schwächelnde Stadt Banff und den Fischerhafen von Macduff geht es zur Gamrie Bay: Gardenstown und Crovie sind am Steilufer über einen Wanderweg verbunden, über Crovie hinweg kann man gut wandern und zum Trouphead mit dem Naturschutzgebiet der Tölpel in der Steilwand der Küste gelangen. Wer es noch „kitschiger“ (filmreif) mag, fährt noch weiter bis Pennan.
Wir wendeten uns nun aber mehr dem Speyside zu, der Wiege des Whisky. Der „Whisky Trail“ startet in Elgin und schraubt sich hoch in die Grampian Mountains. Entlang des River Spey ist die höchste Distillen-Dichte der Welt zu finden – und unzählige Distillen bieten Führungen durch ihre Herstellung an, die zum Abschluss auch eine Verköstigung anbieten. Eigentlich ist es ja überall die gleiche Herstellung, die 12 miteinander verbundenen Malts-Distillen (wie eingangs erwähnt) haben sogar den gleichen Text (durchaus von Vorteil – im zweiten oder dritten „Vortrag“ hat man nicht nur den unterschiedlichen Geschmack getestet sondern auch die letzten Übersetzungsprobleme überstanden). Doch der Reiz liegt am Ende in der Verköstigung – und wer nun mit dem Flieger gekommen ist, muss jetzt langsam aber sicher mit den Kilos im Gepäck das Rechnen anfangen – oder irgendwelche alten Schuhe wie kaputte Hosen entsorgen um Platz für schöne Tropfen zu finden. Der Höhepunkt des „Whisky Trail“ ist metermäßig natürlich die Distillery „The Glenlivet“, hier wie auch in Dufftown bei „Glenfiddich“ sind die Führungen sowieso kostenfrei, auch wird Gelegenheit geboten zu einem Snack, um den Schnupper-Whisky im Blut zu neutralisieren. Hier ist aber alles auch gnadenlos vermarktet, was es zu vermarkten gibt. Es lohnt nicht die Flaschen vor Ort mit zunehmen, man bekommt diese ja weltweit… Für die Geschmackssinn sollte man sich da also mehr um die etwas unbekannteren Markennamen bemühen und heimbringen. Manchmal sind sie nicht nur günstiger sondern fast als Geheimtipp im Geschmack noch besser.
Hinter Huntly verliert sich der Whisky Trail in der Landschaft – dank der Tourist Information in Huntly wurden wir schließlich noch auf die Glendronach-Distillery aufmerksam. Diese ist erst seit wenigen Jahren wieder geöffnet und hat sich ebenso wie andere den Führungen gewidmet. Doch geht diese Distille noch einen Schritt weiter: nach einer sehr guten und bislang bestinformativen Führung durch den Mitarbeiter Jan Knox (wir waren allein an diesem Tag, vielleicht deswegen die aufwändige Führung?) gab es für ihn als guten Verkäufer nur eine Richtung: Anfüttern mit dem Standard-Whisky, dann einen wirklich grandiosen Tropfen kredenzen, vor dessen Preis über 299 Pfund man erfürchtig zurückschreckt – um dann mit einem nicht ganz so alten, aber geschmacklich für uns bis zu diesem Zeitpunkt unübertroffenen 17jährigen zur persönlichen Abfüllung zu schreiten, zu verkorken und zu versiegeln. Wir können daher diese Distille vom Service her (bislang) am meisten empfehlen!
Atemberaubend schnell können so die Tage in Schottland vergehen, was fehlt sind das königliche Balmoral Castle, das wir im (seltenen) strömenden Regen links liegen lassen mussten, um im strahlenden Sonnenschein zum krönenden Abschluss in der Regierungshauptstadt von Schottland, Edinburgh, anzukommen. Nach den ruhigen Tagen im Nirgendwo ist diese quirllige Shoppingstadt mit der Princess- und Highstreet ein krasser Wechsel. Nepp ist eher an der Highstreet zu finden (und das Whisky-House kurz vor dem Castle, die Preise sind aber weit über denen in den Distillen!), die großen weltweiten Einkaufszentren sind auf der Princessstreet zu finden. Die „Old Town“ thront über Stadt, vom Calton Hill und vom Salisbury Crags ergeben sich die besten Übersichten auf die Stadt – wer zuvor in den Highlands unterwegs war, sollte diese „Hügel“ noch packen. Nur war man in den Bergen mit besseren Wanderschuhen unterwegs… wundgelaufene Füße schont man abends in Edinburgh unter dem Speisentisch des „Phuket Pavilion“ in der Union Street. Selten wurden wir so zuvorkommend bedient und hat uns Thailändisches Essen so hervorragend gemundet!
Fazit: Schottland, wir kommen (immer) wieder! Siehe Bericht aus 2012 oder 2014!
Unser Tipp für alles über Schottland im Netz: international.visitscotland.com/de/
© Text & Fotos Hans-Martin Goede 2010Interessiert an Fotomaterial? Wir haben ein umfangreiches Archiv – fragen Sie uns! Eine Lizenz ist nicht teuer – wohl aber das unerlaubte Kopieren…Ihnen gefällt die Webseite? Der Bericht hat inspiriert? Der Tipp war goldrichtig? Wir freuen uns sehr über eine kleine Danke-Spende per PAYPAL für unseren für Sie kostenlosen Service – denn bekanntlich entsteht dies nicht alles kostenfrei sondern mit viel Aufwand und Kosten. Und wenn es nur 1 Euro ist – DANKE!
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