Reiseblog: Insider Reiseziele und Urlaubtipps

Reisebericht: Das Finistere

Tief im Westen von Frankreich: Die La Route du Vent Solaire

einfach nur malerisch: der Hafen von Audierne

einfach nur malerisch: der Hafen von Audierne

AUDIERENE (©hmg) – „Frankreichs schöne Ecken“ – heisst es ja immer wieder gerne. Wobei man als regelmäßiger Frankreich-Tourist nach all den Jahren nur feststellen kann: Frankreich ist eine einzige Ecke! Und die kann man wiederum in viele andere Ecken aufteilen.

Z.B. in das „Finistere“ – Departement Kennzahl 29, westlichster Teil der Bretagne und zugleich westlichster Teil Frankreichs. Vom ersten (späten) Sonnenlicht am Morgen und Sonnenuntergang am „Pointe zu Raz“ her eher mit Portugal, Irland oder Großbritannien in einer Zeitzone zu sehen, hat das Finistere eher den Vorteil, morgens das Ausschlafen zu begünstigen und abends selbst im September bis nahe 21 Uhr noch Tageslicht genießen zu können – bzw. eine unendlich lange „blaue Stunde“.

in Pont-l’Abbé im Süden des Finistere

in Pont-l’Abbé im Süden des Finistere

Der Name „Finistere“ kommt ursprünglich aus dem lateinischen („Finis Terrae“, das Ende der Erde), ins Bretonische übersetzt heißt die Region „Penn ar Bed“ (das „Haupt der Welt“, ein Schelm, wer nun bei „Penn“ und „Bed“ hier „d“englisch denkt!). Und wer die Bretagne in einem seiner Urlaube im 20. Jahrhundert noch erlebt hat, weiss was „das Ende der Welt“, vor allem am Pointe du Raz bedeutet hat: Selbst in den Sommermonaten war im Vergleich zu heute nur wenig los, der Tourismus bei weitem nicht mit anderen „Ecken“ in Frankreich (wie die Atlantikküste vor Bordeaux, die Loire oder die Provence) vergleichbar.

Yachten, Segel- und Motorboote so weit das Auge reicht... hier an der Mündung der Odet bei Benodet.

Yachten, Segel- und Motorboote so weit das Auge reicht… hier an der Mündung der Odet bei Benodet.

Wer in den Süden des Finistere im Jahr 2019 kommt, nachdem man 10, 16 bzw 25 Jahre und mehr nicht mehr vor Ort war, traut seinen Augen nicht mehr. Die beschaulichen Dörfer wie kleinen Städte sind überwiegend sehr schön restauriert, die Auszeichnung „ville fleurie france“ prangt gefühlt an jedem zweiten Ortsschild. Und die Siedlungen sind gewachsen. Stark gewachsen. Zwischen Pont-l-Abbe und Concarneau stehen so viele Baukräne herum, dass man meinen muss, im übrigen Frankreich steht keiner (mehr). Doch auch wenn von 1980 bis 2019 die Bretagne einen 20-prozentigen Einwohnerzuwachs von 2,673 Millionen auf 3,329 Millionen Menschen verbuchte – das Finistere legte im selben Zeitraum „nur“ von 820.000 auf 905.000 Einwohner zu (ein plus von 10 Prozent).

Am Strand von Plozevet: die Bebauung reicht bis an die Küstenlinie. Doch die vielen Häuser sind von Herbst bis Frühjahr vielfach unbewohnt

Am Strand von Plozevet: die Bebauung reicht bis an die Küstenlinie. Doch die vielen Häuser sind von Herbst bis Frühjahr vielfach unbewohnt

Gebaut wird bzw. wurde aber für eine gefühlte Verdoppelung. Und hier kommen nun die Touristen ins Spiel. Während die Städte wie Quimper und Brest die heimische Landbevölkerung anzogen, sank die Zahl der Einheimischen z.B. in Penmarch von 1980 bis 2015 von rund 7.200 auf unter 5.500. Doch im Sommer bekommt man hier kaum mehr einen Fuß an den Boden. Stehen in Frankreich viele Häuser leer oder zerfallen – hier ist selbst die kleinste einstige Fischerkate zum „Gite“ (Ferienhaus) oder „chambre d’hotes“ (Fremdenzimmer) gewandelt worden und wird für teures Geld in den Sommermonaten vermietet – hohe vierstellige Summen (pro Woche) sind keine Seltenheit. Doch im Winterhalbjahr herrscht dafür in den Siedlungen „tote Hose” – wer den Gedanken hegt seinen Altersruhesitz hierher zu verlegen, muss damit rechnen, im Winter keinen Ansprechpartner in der Nachbarschaft zu haben – und im Sommer sich mit Menschenmassen und Autokolonnen herumärgern. „Im Juli und August verlassen wir unser Gott sei Dank noch ruhiges Dorf nicht mehr und genießen unseren Garten“, weiss Monique aus dem Morbihan bei Vannes zu erzählen.

zwischen La Foret-Fouesnant und Concarneau wird die felsige Küste von dichten Laub- und Kieferwäldern gesäumt, durchzogen von vielfach behindertengerecht ausgebauten Wanderwegen.

zwischen La Foret-Fouesnant und Concarneau wird die felsige Küste von dichten Laub- und Kieferwäldern gesäumt, durchzogen von vielfach behindertengerecht ausgebauten Wanderwegen.

Das touristische Wachstum der Region zwischen Concarneau und Audierne ist sicherlich dem angenehmen Klima mit zu verdanken: Während im Juli rund um Brest die mittlere August-Temperatur bei rund 16 Grad liegt, beträgt sie in Penmarch stolze 1,5 Grad mehr, auch ist die Zahl der Regentage im Jahr deutlich niedriger: im Norden des Finistere regnet es statistisch 2 Wochen mehr im Jahr. Die Menge der Marinas mit ihren nicht zählbaren Yachten, Motor- und Segelbooten entlang der Südküste der Bretagne lässt sich daher problemlos mit den Häfen und Marinas an den Mittelmeerküsten messen.

Blick von Penmarch entlang der Küste Richtung Guilvinec

Blick von Penmarch entlang der Küste Richtung Guilvinec

Was also ist – mal abgesehen vom Wetter – an dieser Region „tief im Westen“ von Frankreich noch ein „Insiderreiseziel“? Die Frage muss man allerdings im 21. Jahrhundert weltweit stellen: sie trifft für Island und Schottland genauso zu wie für Skandinavien oder den Orient. Die Menschheit wächst rasant, immer mehr Menschen weltweit können sich eine Reise leisten – und wem kann man es verdenken, auch mal was anderes als seine eigenen vier Wände sehen zu wollen? Nicht mal der Klimawandel wird diesen Trend stoppen können. 

Am Pointe du Raz

am westlichsten Punkt von Frankreich: der Leuchtturm am Pointe du Raz

am westlichsten Punkt von Frankreich: der Leuchtturm am Pointe du Raz

Für den Süden des Finistere bleiben, um es in Ruhe genießen zu können, nur noch die Vor- wie Nachsaison. So sind die Wanderwege an der Landspitze Pointe du Raz auch in einem September an einem Sonntag bei Traumwetter nur von einzelnen Besuchern „bevölkert“, wenngleich der überdimensionale Parkplatz mit dem neu gebauten „Maison de la Pointe du Raz“ ganz andere Menschenmengen „aufnehmen“ kann. Vorteil gegenüber den überlaufenen Sommermonaten: der Sonnenuntergang ist über dem „Phare de la Vieille“ nicht erst nach 23 Uhr zu sehen sondern bereits zwischen 20 und 21 Uhr. Bei wenigen Wetterlagen erlebt man hier einen Sonnenuntergang, der ungewöhnlich farbenprächtig ist – und die Sonnenstrahlen sich selbst weit nach Sonnenuntergang noch in den Nachthimmel schieben.

die „Plages“ von Torche, Tronoen, Kermabec und Penhors

Sylter Dünen oder Strand im Finistere - das ist hier die Frage :)

Sylter Dünen oder Strand im Finistere – das ist hier die Frage 🙂

Ausgedehnte Strandspaziergänge sind bei Ebbe wie bei Flut zwischen St. Guenole und Penhors möglich – dieser Küstenabschnitt mit seinen weiten Sandflächen und Dünen verleitet (zumindest in der Nachsaison) auch bei spätsommerlichen Wetter zum Ausruf „oh, da vorne sind zwei Menschen am Strand, lass uns weiter fahren und ein einsameres Stück Strand suchen“. Niemand geht einem auf „den Wecker“.

Lässt man sich nieder, queren über die Stunden hinweg Strandreiter, Strandradfahrer, Strandsegler, Strandläufer, Seemöven das Blickfeld, der eine oder andere mehr oder weniger geübte Surfer versucht sich an den brechenden Wellen – oder auch mal ein tief fliegendes Flugzeug kreuzt den über das Meer schweifenden Blick. Zwischendurch eilt der eine oder andere ältere FKK-Fan (Männlein wie Weiblein) von den Dünen nach vorne an die Meereskante um sich kurz abzukühlen. Der Moment, wo ein Auto über die Sandflächen vor einem vorbei fährt (und man glatt vor Staunen vergisst die Kamera hinzuhalten), ist nicht mit zu viel Sonne zu erklären, sondern mit dem Abendessen: Es sind Einheimische, die kurzerhand anhalten und ihre „Erntewagen“ abladen und damit auf Schnecken- wie Krebssuche gehen, damit in den Restaurants der Küstenorte am Abend das „Peche“-Menü komplett ist.

Surfers Paradise

Dichtes "Gedränge" in der Brandung am Pointe de la Torche

Dichtes “Gedränge” in der Brandung am Pointe de la Torche

Am Pointe de la Torche, nur wenige hundert Meter nördlich von St. Guenole, haben nicht nur die Kelten mit ihren Steinsetzungen einen Narren gefressen, sondern Dank der besonderen Brandung an diesem Strandabschnitt auch die Surfer. Mehrere Surfschulen zeigen „Flagge“ – und wenn die „Schulklasse“ aufs Meer geht, ist der Wellengang und die Brandung schwarz gepunktet. Wie man in diesem Wuseldurcheinander der Anfänger und Profis unfallfrei durch die Wellen kommt? Keine Ahnung – ging vor unserer Linse alles gut!

Phare d’Eckmühl – ein „ü“ leuchtet an Frankreichs Küste

am Phare d’Eckmühl

am Phare d’Eckmühl

Überrascht blickt man bei Penmarch auf den Namen des dortigen Leuchtturmes: „Eckmühl“. Klingt deutsch und hat ein „ü“ im Namen. 60 Meter ragt er in die Höhe, wurde 1897 eingeweiht – aus Granit errichtet und das Treppenhaus mit seinen 307 Stufen ist mit Opalglas-Fliesen belegt. Das Panorama von der Aussichtsplattform ist berauschend. Doch seit wann nutzen Franzosen das „ü“? Der Name des Leuchtturms ist einem für damalige Zeiten seltenen „Sponsoring“ zu verdanken: Die Marquise Adélaïde-Louise d’Eckmühl de Blocqueville bestimmte in ihrem Testament 1892 eine Summe von 300.000 Francs für den Bau des Leuchtturmes – zu Ehren ihres Vaters, den Herzog von Auerstädt (Thüringen), Prinz von Eckmühl (kommt vom pfälzischen Ortsnamen „Eggmühl“). Und so kam es, dass der vom Pariser Architekten Paul Marbeau gestaltete Leuchtturm einen abgewandelten (deutschen) Namen erhielt.

Überreste aus dem zweiten Weltkrieg: Bunker des Atlantikwall

Überreste des "Atlantikwall" der Nazis an den Stränden der Bretagne

Überreste des “Atlantikwall” der Nazis an den Stränden der Bretagne

Mahnmale sind an den Stränden die Ruinen der Bunker des „Atlantikwall“ der Nazis aus den 1940er Jahren.

Diese Betonklötze wurden in den letzten 70 Jahren teils vom Meer vereinnahmt und sacken in den sandigen Grund, oder stehen in und hinter den Dünen – dienen heute den einen als Graffitiwände, den anderen als Toilette.

Frei nach dem Motto „Scheiss auf die Geschichte!“.

die La Route du Vent Solaire

rechter Hand der Calvaire de Tronoan - Kirche Saint Jean-Trolimon im Hintergrund

rechter Hand der Calvaire de Tronoan – Kirche Saint Jean-Trolimon im Hintergrund

Die Bezeichnung „La Route du Vent Solaire“ allerdings ist ein (religiös geprägter) Wanderweg, der in St. Guenole am Leuchtturm „Eckmühl“ startet, sich von Kirche zu Kirche, von Kloster zu Kloster entlang der Küste bis zum Pointe du Raz schlängelt. Besonders sehenswert ist entlang dieser Strecke der aus dem 15. Jahrhundert stammende „Calvaire de Tronoan“ neben der gleichnamigen Kirche „Notre Dame“. Es ist der älteste und größte Kalvarienberg der insgesamt sieben in der Bretagne. Die Steinfiguren „das Evangelium der Armen“ war ursprünglich mit lebendigen und schillernden Farben bemalt und erzählt in der Art eines Comics das Leben und Leiden Christi. Besonders eindrucksvoll: Um 1450 hatte man wohl keine Probleme die Jungfrau Maria mit nackten Brüsten darzustellen. Übersetzt in die heutige Zeit: „Sex sells!“. Galt also auch schon vor über 500 Jahren.

Cidre – der Zaubertrank aus der Bretagne

Apfelblüte + Biene + Apfel = Cidre

Apfelblüte + Biene + Apfel = Cidre

Ok, man kann nun vortrefflich drüber streiten, wer den Cidre besser kann oder schon länger herstellt – wer hat’s erfunden, eh? Ob Normandie, Bretagne oder (Groß-) Britannien, der Cidre (englisch „Cider“) ist der “Wein”, den die Römer diesen Regionen brachten. In der Bretagne gibt es natürlich nur den heimischen Cidre – Brut, Doux, Traditionelle, Cuvée Selection – und in letzter Zeit auch immer öfter „Bio“. Die Auswahl an Sorten und Herstellern in den bretonischen Supermärkten ist erschlagend. Doch testen kann man ja leider die Regalauswahl in der Regel nicht. 

die Ciderie „Kerne“ in Pouldreuzic

die Ciderie „Kerne“ in Pouldreuzic

Anders ist das in der Ciderie „Kerne“ in Pouldreuzic. Dieser seit 1947 bestehende Familienbetrieb mit gerade mal 15 Mitarbeitern setzt auf handwerkliche Qualität und „Familien-Know-how“. Entsprechend weit verbreitet ist er in der Region, in vielen Restaurants und Creperien gehört der Cidre „Kerne“ zu den Basics. Und das schöne vor Ort im „Werksverkauf“ ist, dass man die hauseigenen (Apfel-)Produkte alle durchprobieren kann & darf.

das Cidre-Museum der die Ciderie „Kerne“ in Pouldreuzic

das Cidre-Museum der die Ciderie „Kerne“ in Pouldreuzic

Dazu gibt es immer wieder besondere Kochangebote für regionale Spezialitäten in der Schauküche, seit neuestem angegegliedert ist auch ein kleines „Apfel-Cidre-Museum“, das man kostenfrei ansehen darf. Vorbildlich: die hauseigenen Flaschen haben 20 Cent Pfand – und die Korken darf man auch gerne wieder zurück bringen zur Wiederverwertung.

Die Cidre von Kerne werden regelmäßig durch die “Concours Général Agricole” in Paris ausgezeichnet, zuletzt waren es die Silber- wie Goldmedaille. Kann man nur bestätigen! Santé!

die Rothenburgs des Finistere

"Museumsdorf" Locronan - seinen Charme der Anfänge im 20. Jahrhundert hat der Ort längst verloren. Und das liegt in diesem Falle nicht am Nieselregenwetter!

“Museumsdorf” Locronan – seinen Charme der Anfänge im 20. Jahrhundert hat der Ort längst verloren. Und das liegt in diesem Falle nicht am Nieselregenwetter in 2019!

Rothenburg ob der Tauber kennt jeder – und das französische Pendant „Locronan“ ebenfalls. Dieser Museumsort östlich von Douarnenez hat seinen Charme aus den 1990er Jahren leider verloren. Busweise werden die Touristen hier inzwischen angekarrt, vergangen sind die alten Geschäfte mit ihrem Handwerk (wie z.B. das Wäschegeschäft mit den bretonischen Leinentüchern). Die Souvernirläden glänzen mit bretonischem Allerlei „made in PRC“ (also aus der Volksrepublik China). Eine moderne Bäckerei gegenüber der Kirche, Creperien und Restaurants, die selbst bei regnerischem Wetter in der Nachsaison mittags Dank der Reisebusse das Schild „complete“ an die Tür hängen. Einzig auch nach 25 Jahren unverändert geblieben ist eine kleine Creperie. Doch ob sie noch dieselben Eigentümer & Rezepte hat? Locronan – Du siehst uns nicht wieder. 

Notre-Dame de Roscudon in Pont Croix

Notre-Dame de Roscudon in Pont Croix

Ein vergleichbares Pendant zu Locronan ist allerdings Point Croix an der Goyen, die bei Audierne ins Meer mündet und bei Flut bis Point Croix früher schiffbar war. Heute ist der Hafen verwaist und bietet Touristen mit Bäumen, Wiese und Tischen mit Bänken die Möglichkeit des Picknick – während der mittelalterliche Ort nach einer durchgreifenden Sanierung problemlos das wiederspiegelt, was Locronan vor 25 Jahren einmal war. Ein Kleinod ist die gotische Kirche Notre-Dame de Roscudon aus dem frühen 13. Jahrhundert. Der 67 Meter hohe Kirchturm diente übrigens als Vorbild für die Türme der Kathedrale von Quimper. Die Decken der Kirche sind hölzern farblich gestaltet die bunten Fenster werfen bei Sonnenschein ihre Muster an die Säulen im Kirchenschiff.

Der "Marché á l'ancienne" in Plovan am 16. September 2019

Der traditionelle “Marché á l’ancienne” in Plovan am 16. September 2019

Ein besonderes Schauspiel kann man im September in Plovan erleben: Ein Festzug (der “Marché á l’ancienne”) mit Pferdewagen aus unterschiedlichen Jahrhunderten, chronologisch weitergeführt bis in die motorische Moderne. Die Festzugteilnehmer sind in bretonischer Tracht gekleidet, die Musik kommt einem schottisch, Verzeihung gälisch vor: auch in der Bretagne spielt man leidenschaftlich Dudelsack und haut mal gerne auf die Pauke bzw. Trommel. Auf dem Marktplatz vor der Kirche Saint Gorgon im Zentrum von Plovan endet der Festzug mit einem Dorffest, auf dem bretonische Tänze gezeigt werden, in die sich so mancher Bretone gerne aus den Zuschauerreihen mit einreiht, weil er die Schrittfolgen vor langer Zeit mal gelernt hat. Dazu gibt es diverse Stände mit lokalem Brot und Wurstwaren, Crepes werden geduldig in einer langen Schlange erwartet – in Strömen fließt der Wein, Cidre und andere Flüssigkeiten – die örtlichen Mal“künstler“ zeigen ihre Werke. Und wenn einem Obelix mit Hinkelstein auf einem Motorrad hier begegnet – einfach amüsiert genießen!

Douarnenez – die Sardinenbüchse der Bretagne

"Hauptstadt" der Sardinenbüchsen: Douarnenez

“Hauptstadt” der Sardinenbüchsen: Douarnenez

Schon die Römer wussten den geschützten Hafen in der Bucht des heutigen Douarnenez zu schätzen. Der Ort war jahrhundertelang ein wichtiger Fischereihafen – mit der Erfindung der Konservendose im 19. Jahrhundert gewann der Ort enorm: um 1850 befanden sich in der Stadt stolze 40 Fischfabriken in denen hauptsächlich Thunfische und Sardinen verarbeitet wurden. Doch die Überfischung und vor allem das Ausbleiben der Sardinenschwärme sorgte dafür, dass ab 1880 der Ort in Armut und Massenarbeitslosigkeit versank. Von diesem Schock hat sich der Ort nie richtig erholt, wer die Stadt in den 1990er Jahren kennengelernt hat, sah auch 100 Jahre später noch die Probleme von damals. 

war einst eine stattliche Fischkonservenfabrik von Douarnenez

war einst eine stattliche Fischkonservenfabrik von Douarnenez

Heute ist Douarnenez überwiegend restauriert – die Stadt ist wieder belebt, der alten Hafenkai bietet neben Restaurants auch einen wunderbaren Blick auf die Marina und die Innenbucht. Die Fischindustrie existiert auch heute noch, wenn auch mit weniger Betrieben, die Sardinen in Dosen gibt es seit jeher in allen französischen Supermärkten. Eine kleine Fußgängerzone wurde geschaffen – doch Hauptanziehungspunkt ist der durch die „Passerelle Jean Marin“ künstlich dauerhaft auf Flut gehaltene Meeresarm „Port Rhu“. Hier wird in einem großen Museum auf diversen alten (Arbeits-)schiffen die lokale Fischerei- und Seehandelsgeschichte gezeigt. Besonders sehenswert ist übrigens die „Chapelle Saint Michel“ mit ihren Fresken an der Holzdecke – muss man gesehen haben!

"Kerbriant" ist einer der wenigen Familienbetriebe der Fischdosenherstellung in Douarnenez

“Kerbriant” ist einer der wenigen Familienbetriebe der Fischdosenherstellung in Douarnenez

Sprichwörtlich „auf die Fischfinger schauen“ kann man in Douarnenez dem lokalen Fischkonservenproduzenten „Kerbriant“. Dieser alteingesessene Familienbetrieb, in dem heute mit Ausnahme einer Saisonkraft im eigenen Hausverkauf nur Familienmitglieder arbeiten, wird auf Qualität und vor allem Lokalität geachtet: Alles was verarbeitet wird, stammt aus dem Finistere und örtlichen Lieferanten, Gemüse und Fisch wird so verarbeitet, wie die Jahreszeit es mit sich bringt.

Werksverkauf bei "Kerbriant"

Werksverkauf bei “Kerbriant”

Werktags kann man um 09.30 Uhr (für die Frühaufsteher) bzw. 11 Uhr (für die Urlauber mit Spätstück) eine kleine Führung durch die Produktionshalle erhalten und bekommt detailliert die Fischkonservenherstellung erklärt.

Französischen Sprachkenntnisse sind allerdings unerlässlich, denn man spricht hier weder englisch noch spanisch oder gar deutsch. Am Ende der Führung erwartet einen eine kleine Verköstigungsrunde – lecker! Und anschließend darf geshoppt werden :)!

Piratenfeeling in Concarneau – Großstadtgewimmel in Quimper

Passt zusammen! Piratenflagge und die "Ville close" von Concarneau

Passt zusammen! Piratenflagge und die “Ville close” von Concarneau

Ein jedes Kinderherz schlägt in Concarneau höher: die historische „Ville close“ in der Bucht vermittelt gerne ein Piratennest (gewesen) zu sein. Doch weit gefehlt: Vor rund 1000 Jahren von Mönchen als kleines Kloster auf einer Flussinsel (der heutigen Ville close) gegründet, wurde die Stadt später zu einer wichtigen bretonischen Festung. In der sehenswerten Ville schieben sich im Sommer die Touristenmassen durch die wenigen Gassen bzw. durch die Hauptstraße „Rue Vauban“, die Stadtmauer ist in weiten Teilen begehbar.

der zentrale Platz der "Ville close" in Concarneau

der zentrale Platz der “Ville close” in Concarneau

Die Geschäfte der Ville sind „voll“ auf die Touristen eingestellt – bretonische Souvenirs, Kekse und Cidre allerorten, hinzu kommen jede Menge Bekleidungsgeschäfte mit „made in PRC“. Doch es gibt noch Hoffnung: zwei Einzelhändler bieten die in den letzten Jahrzehnten in Mode gekommenen Streifenhemden der Bretagne (wieder) aus europäischer Produktion an. Designed in der Bretagne, hergestellt in Portugal – noch dazu aus Baumwolle und nicht aus Kunstfaser. Na also, geht doch – warum nicht gleich so?

Quimper liegt an der bis zur Stadt schiffbaren Odet

Quimper liegt an der bis zur Stadt schiffbaren Odet

Man mag meinen, dass Brest im Norden des Finistere mit seinen rund 140.000 Einwohnern die Hauptstadt des Departements ist. Nein, ist sie nicht. Das ist Quimper. Mit ihren rund 63.000 Einwohnern ist die quirlige Stadt an der Odet berühmt für ihre Porzellan Fayencen. Die bemalten bretonischen Schüsseln und Teller mit Figuren und Pflanzen wie Bäumen kennt jeder – doch je gröber die Malerei, um so eher „PRC“, je feiner das Porzellan, je detailliert die Bilder auf den Flächen – um so eher lokal vor Ort produziert. In einem alten Fachwerkhaus gegenüber der „ziemlich schräg verlaufenden“ Kathedrale Saint Corentin findet sich ein gut sortierter Fayencen Händler. Vorne am Eingang die Ware für die „Husch Husch PRC Touristen“, schiebt man sich durch die engen Gänge in die rückwärtigen Räume, stößt man auf die wahren Schätze dieser bretonischen Porzellankunst.

Quimper´s Fachwerkhäuser sind weltbekannt

Quimper´s Fachwerkhäuser in der Rue Kereon sind weltbekannt

Überhaupt ist Quimper mit seinen facettenreichen Fachwerkhäusern sehr sehenswert – viele sind geschmückt mit alten Holzfiguren. Heraus sticht an der Kathedrale allerdings das Jugendstilhaus mit dem alteingesessenen Wäsche- und Einrichtungsgeschäft „Bouchara“. Wer mit dem Auto kommt: die vielen Einbahnstraßen verwirren. Parken an der Odet auf dem „Parking de la Resistance“ kann nach 2 ½ Stunden sehr teuer werden. Das moderne Parkticket per Kennzeicheneingabe zu ziehen – naja. Umständlich. Herkömmlich mit Zeitticket und bezahlbar längere Zeit stehen kann man am „Parking Tour d’Auvergne“ am neuen Theater. Zu Fuß in die City kommt man problemlos binnen 5 Minuten.

Sonnenuntergang am Pointe du Raz. Foto @ hmg

Sonnenuntergang am Pointe du Raz. Foto @ hmg

Der Süden des Finistere – gerne kommt man wieder. „Abschalten“ ist auch in Zeiten des Massentourismus hier möglich. Vielleicht nicht im Juli und August, sicherlich aber im Mai/Juni und September. Zu entdecken gibt es dennoch immer etwas: kleine Geschäfte, kleine Betriebe, die gegen die „global player“ mit findigen Konzepten ankämpfen. Kleinode der Gastronomie, wie das „Les Bouchons“ in Plozevet. Nicht zu vergessen die wunderbare Natur, die trotz der überfüllten Sommermonate einem noch vermittelt „hier ist die Welt noch in Ordnung“.

Coastal Cleanup“ - in der Bretagne funktioniert es bestens.

Coastal Cleanup“ – in der Bretagne funktioniert es bestens.

Unterstützen kann man dies vor allem an den Stränden der Bretagne: „Coastal Cleanup“, immer wieder stehen Boxen für den Müll bereit. Im Kleinen beginnt man so das, was Großes bewirken soll.

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© Text und Fotos (September 2019) Hans-Martin Goede – gerne erfragen Sie weiteres hochauflösendes Bildmaterial aus unserer umfangreichen Datenbank, wir lizensieren Ihnen gerne gewünschte Motive. Einige gibt es auch bei AdobeStock HIER.

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