17.09.2007 / 30.09.2009 / 11.09.2015 (© hmg) – Die letzten Ausläufer des Zentralmassivs (Auvergne) verlieren sich in den weiten Nuss- und Eichenwälderndes Perigord, das man von Deutschland aus über die 2006 fertiggestellte A89 via Clermont-Ferrand nach Brive-la-Gaillarde inzwischen recht zügig erreichen kann. Selbst das Nadelöhr zwischen Brive, Terrasson und Thenon wird 2008 mit den letzten neuen Kilometern der A89 beseitigt sein – die kilometerlangen Staus im „Tor des Perigord“ (Terrasson-la-Villedieu) dürften dann der Vergangenheit angehören. Nur noch die horrenden Gebühren der A89 können dies noch verhindern – rund 12 Cent pro Kilometer der Autobahn (Stand 2007) sind nach unserer Erkenntnis eines der teuersten „Autoroutes“, die Frankreich zu bieten hat. Da ist selbst die „Autoroute Blanc“ zwischen Lyon und Genf mit seinen teuren Viadukten durch die Jura-Berge mit 6 Cent je Kilometer eine Wohltat für den geplagten Geldbeutel. Um unser Urlaubsziel nahe Monpont jedenfalls erreichen zu können, namen wir unwissend die teure A89 in Anspruch und wählten für die Rückfahrt die kostenfreie N89, pardon jetzt dank der A89 zurückgestuft auf D6089.
Das Perigord selber ist eigentlich kein „Geheimtipp“ mehr: seit wir das Herz des Perigord Noir zuletzt 1996 besuchten, hat sich dieses von einem verschlafenen Nest zu einer quirrligen und geschäftigen aufstrebenden Region entwickelt, die A89 dürfte nun „den Rest besorgen“, ist sie doch in Kürze von Bordeaux bis Clermont-Ferrand durchgehend befahrbar. Perigueux erkannten wir kaum wieder, die mittelalterliche Innenstadt mit ihren engen Gassen ist zu einem touristischen Nepp verkommen – hunderte Chocolatiers, Foie Gras- und Weinläden haben die einstmals beschaulichen Einzelhandelsecken übernommen, eine Wohltat ein kleiner Teeladen am Ende der Rue de Places am Place du Coderc, der Espresso und Schwarztee wie selbstgemixte Limonaden zu noch bezahlbaren Preisen anbot. Der Cityring mündet am Place de Franceville in einem riesigen Kinopalast – quirrlig und geschäftig, viele junge Menschen und ein heilloses Verkehrschaos, das ist/war Perigueux im September 2007 (außerhalb der Hochsaison!). Rettende Ruheinseln sind die byzantinisch-romanische Kathedrale St. Front mit ihren historischen Mosaikfußböden und dem geschnitzten Holzaltar und die alte Römerstadt Vesunna (Cité) im Südwesten. Hier haben Ausgrabungen in den letzten Jahren zu einem Boom der römischen Angebote geführt, über den ausgegrabenen Thermen spannt sich ein riesiges Dach und die Führungen schieben sich als Endloswurm über die Stege und Brücken der römischen Reste im Fußboden. Alternativ kann man sich natürlich auch dem Perigord Noir widmen, dem wir 2019 einen eigenen Bericht gewidmet haben.
Geradezu beschaulich läßt sich das von Perigueux ca. 40 Kilometer entfernte Bergerac an der Dordogne an – die Stadt wurde ebenso aufwändig restauriert, hier wechseln sich touristische Weinhandlungen und ein bunter Einzelhandel in der historischen Altstadt noch ab (in 2015 hat die Anzahl der Geschäfte sich weiter verringert und weitere Bars und Restaurants sind leider entstanden). Zwischen der Kirche Notre Dame, dem Place de la Republique (Tourist Information) und der Dordogne erstreckt sich mit nicht ganz so engen Gassen die mittelalterliche Innenstadt.
Je näher man dem Hafen kommt, um so älter werden die Häuser, zwischen dem Place Pelissiere mit dem Denkmal für den berühmtesten Sohn der Stadt, Cyrano de Bergerac, und der Rue du Port machen sich die Verkaufsflächen deutlich rarer, dafür ist nun ein Restaurant am anderen. Hier sollte man Menu-Auswahl und Preise genau vergleichen, denn während die Mittagsmenu-Preise mit 16 bis 22 Euro recht gleich sind, ist die Qualität und Menge das Entscheidende. Orientieren sollte man sich am Publikum der Restaurants: je mehr französisch gesprochen wird, um so eher handelt es sich um Einheimische, die genau wissen, wo was am Besten schmeckt! Je mehr Englisch (oder auch Deutsch) gesprochen wird, um so eher wurden die Gäste regelrecht „eingefangen“… In jedem Falle kann man in Bergerac überraschend günstig ein 3-gängiges Mittagsmenü mit eindeutig perigordinischen Einschlag (Pasteten, Foie Gras, Entenbrust und Salaten) bekommen und ist mehr als satt.
Wer nun eh schon in Bergerac ist, kann sich von den dortigen Weinläden verköstigen lassen und neben dem Cote du Bergerac auch einige der bernsteinfarbenen Monbazilliac-Weine probieren – ein ziemliches Kontrastprogramm von Trockenbeerenauslese zu Zuckersirup! Oder man fährt über die Dorgdogne hinweg ein paar Kilometer weiter nach Süden direkt zum Schloss Monbazilliac – und kann neben einer Schlossführung gleich in den alten Stallungen am Schlossgraben eine (kostenfreie) „Degustation“ der hauseigenen Weine machen! Nur so kann man den wirklichen Unterschied der in der unmittelbaren Umgebung wachsenden Trauben zu den Dordogne-Trauben im flachen Tal schmecken. Die geschmacklichen Facetten sind umfangreich und deutlich erkennbar, wir mußten eingestehen, dass ein Monbazilliac nicht nur ein allgemeiner Monbazilliac ist sondern durch unterschiedliche Lagen und Kelterverfahren hier auf kleinstem Raume enorme Unterschiede zu erreichen sind.
Ein Abstecher von Bergerac nach Osten entlang der Dordogne sei nur denen empfohlen, die unbedingt den Kindern Ritterburgen zeigen wollen (sehr sehenswert immerhin Beynac und Castelnaud!) oder sich wie bei einer „Hafenrundfahrt“ in Hamburg auf der Dordogne mit quäkendem Lautsprecher von La Roque Gageac bis nach Castelnaud (und zurück) berieseln lassen. 7 Kilometer Strecke in 55 Minuten. Wer´s mag… bitte schön! Für alle Nichtfranzosen gibt es übrigens ein Tonband um den Hals gehängt (also „Audio-Guides“), verfügbar in unzähligen Sprachen. Wer meint, dies in der Nebensaison (September) machen zu müssen: keine Sorge – es ist voll wie im Hochsommer! Nur statt Familien mit Kindern kommen die Rentner der Generation 60+ bzw. viele sogar 80+…
Doch zurück zum Wesentlichen! Nach den süßen Spätlesen am Chateau Monbazillac geht es entlang der Dordogne und der Departement-Grenze zwischen dem Perigord (Dordogne, Dep. 24) und Gironde (Dep. 33) über Castillon nach St. Emilion, einer weiteren Hochburg französischer Weine. Die Stadt, einst ein Kloster mit Regierungsgewalt für die umliegenden Kirchen und Klöster, gehört inzwischen zum Weltkulturerbe der UNESCO. Schon die Römer erkannten wohl den Wert der Region und bauten dort Weintrauben an, die mit ihrem Beinamen „Grand Cru“ und deren weitere Klassifizierungen heute für trockene und doch vollmundige Weine stehen. Gerne verstehen wir, warum früher die Pilger den Jakobsweg über diesen Klosterort wählten, bevor sie frisch erholt und vom Wein beseelt den Weg nach Santiago de Compostela antraten. Berühmt und auch noch zu besichtigen ist die Felsenkirche unter der heutigen Klosteranlage. Sie wurden einstmals in den Kalkfelsen hineingetrieben und ist heute am Marktplatz der Stadt für Führungen zeitweilig geöffnet. Ansonsten ist die Stadt touristisch wie schon vor 20 Jahren extrem erschlossen – die Macronen haben sich inzwischen auf dutzende weitere Geschäfte ausgebreitet, die Appellationen der Weine rund um die Ort haben auch die Straßen erobert. Doch jede Domäne und sämtliche Chateaus der Region bieten den Direktverkauf an, kostenfreie Verköstigungen gehören auch dazu. Immer mehr tun sich die Produzenten aber auch zu Genossenschaften zusammen, auch hier gilt auf den Flaschen das Siegel „Recoltant“ als Zeichen der individuellen Abfüllung ohne Verschnitt von diversen Nord- und Südhängen oder ebenen Flächen. Pomerol ist auch ganz in der Nähe, die Chateaus und königlichen Herrenhäuser bieten ihre Weine feil – es ist und bleibt das Kerngebiet fantastischer Weine dieser Region. Ihre Trockenheit kann nur doch unterschiedliche Jahrgänge (wie 2003) variieren, für sonst mehr dem Monbazilliac zugewandte Gaumen also nicht nur eine reine Freude (wobei wir beide Sorten gerne genießen…).
Nun ist es auch nicht mehr weit nach Bordeaux – die Stadt, die der Region – und vielen Weinen – den Namen gibt. Während die Metropole einiges zu bieten hat, was Kunst und Architektur betrifft, ist der eholungssuchende Tourist eher geneigt die weiteren rund 50 Kilometer noch bis zum Atlantik in Kauf zu nehmen. Rund ums Becken von Arcachon ist Austernzucht angesagt, die Dune du Pilat lockt mit ihren 103 Metern Sandhöhe zum „größten Sandhaufen“ Europas. Und wer gerne gut und zuvorkommend Meeresfrüchte in einer einzigartigen Qualität essen möchte, der läßt die Touristenfallen an der Meerespromenade von Arcachon „links liegen“ und begibt sich in den Hafen von La Teste de Buch ins Restaurant du Port, das wir selber gerne und regelmäßig besuchen 🙂
Text und Fotos zuletzt am 10.09.2015 umfangreich überarbeitet/erweitert.
© Text und Fotos (2007 bis 2015) Hans-Martin Goede – gerne erfragen Sie weiteres hochauflösendes Bildmaterial aus unserer umfangreichen Datenbank, wir lizensieren Ihnen gerne gewünschte Motive.
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