HERAKLION (01.07.2018, © hmg) – Hat man auf Kreta die großen Erkundungstouren erst einmal ausgeführt (siehe unsere Reiseberichte zum Westen, der Mitte und den Osten), sowie seine Lieblingsrestaurants erkoren (wie z.B. das Peskesi in Heraklion, das To Pigadi in Rethymno oder auch das Scala in Matala), schweift der Blick auf der Landkarte dieser griechischen Insel von links nach rechts, von oben nach unten, werden alte und neue Reiseführer (ja, wir nehmen doch glatt noch Bücher zur Hand!) durchgeblättert – und sucht neue Ziele: Und so fiel uns das Bergmassiv „Mount Ida“ auf, die höchste Erhebung ist mit 2454 Meter der Psiloritis.
Auf der Karte, was die Straßen angeht, ist Mount Ida ein relativ „weisser“ (oder grau-brauner) Fleck, durchzogen nur von Wanderwegen, wie z.B. den berühmten „E4“ – der sich vom Westen bis in den Osten von Kreta erstreckt. Rund herum jedoch eine kurven- wie serpentinenreiche Straße, einziger Zugang mit vier Rädern in das Bergmassiv ist von Norden her die Zufahrt zur Sternwarte auf dem Skinakas sowie zur Grotte Ideo Andron, in der der Sage nach Rhea ihren Sohn Zeus großzog.
Der ideale Startpunkt für eine Rundreise um den Mount Ida ist natürlich das naheliegende Heraklion – hier kommen am Flughafen, dessen Qualität sich in den letzten Jahren Dank Investitionen und Sanierungen langsam zu steigern beginnt, die meisten Kreta-Urlauber an. Heraklion ist die Hauptstadt der Insel – hat rund 175.000 Einwohner und ist damit die viertgrößte Stadt Griechenlands. Neben einem lebendigen (sommerlichen) Nachtleben hat die Stadt neben unzähligen Geschäften auch viel historisches zu bieten, beginnend als Hafen der minoischen Kapitale Knossos. Namensgeber der Stadt ist Herakles, der der Sage nach hier an Land ging, um den kretischen Stier zu fangen. Nach den Minoern kamen die ersten Griechen, es folgten Araber, Byzantiner, Venezianer, Türken (Osmanen), 1898 wurde die Insel autonom, 1913 Kreta an Griechenland angeschlossen. Alle hinterließen ihre Spuren – bautechnisch die Venezianer und Türken am meisten. Insbesondere das „Castrum“ (Burg) am Hafen ist das bestimmende historische Element der Stadt heute – die venezianische Festung ist seit kurzem restauriert und kann für einen symbolischen Eintritt von 2 Euro besichtigt werden.
Ständiger Sichtbegleiter in Heraklion ist das Bergmassiv des Mount Ida im Südwesten. Einfach und recht schnell per Auto erreichbar ist der Einstieg in die Rundfahrt über Tilissos, das nur wenige Minuten außerhalb der Capitale liegt. Hinter Tilissos verschwenkt die Straße rasch zu vielen Kurven und schraubt sich in Serpentinen den Berg hinauf, die Vegetation wechselt vom Weinanbau hin zur typisch kretischen Stein- und Kräuterwildnis, durchsetzt von Olivenbäumen. Hat man den ersten Höhenzug mit einem kleinen Parkplatz neben einem kleinen Friedhof erreicht, eröffnet sich westwärts ein schmales Tal: „Gonies Gorge“.
Namensgeber ist das einige Kilometer später folgende Dorf Gonies, das sich auf rund 600 Meter Höhe um eine Bergnase herum anschmiegt. Bis in den Juni hinein ist die Nordseite des Mount Ida Gebirges übrigens noch verhältnismäßig grün, braun-grau-gelb wird sie erst mit dem trockenen Juli und August.
Hinter Gonies gelangt man nach vielen Kurven nach Anogia. Bekannt ist der Ort eigentlich für seine Weberinnen – wer diese sucht, findet sie am westlichen Ortsrand (nicht die abkürzende innerörtliche „Umgehung“ zum Ortsausgang nutzen!). Am östlichen Ortseingang findet sich rechter Hand die Glasbläserei TARRHA GLASS: Marios Chalkiadakis und Natassa Papadogamvraki gehören zu den wenigen Glaskünstlern, die seit langer Zeit – und noch immer – einzigartige Glaskunstwerke schaffen. In Handarbeit und mit viel Liebe zum Detail stellen sie Schüsseln, Teller, Untersetzer, Karaffen, Krüge, Ascher, Lampenschirme u.v.m. her.
Von Anogia westwärts gibt es vor allem eines: Landschaft! Nach Norden fällt in teils wilden Schluchten, schmalen Tälern und bewaldeten wie kargen Berghängen die Inselwelt Richtung Mittelmeer ab, nach Süden eröffnen sich permanent an jeder neuen Hangumfahrung teils atemberaubende Blicke auf das Mount Ida Massiv, dessen Bergspitzen im Frühsommer teils noch weisse Spitzen aus Schnee tragen.
Folgt man der Straße weiter westwärts, gelangt man zu den archäologischen Ausgrabungsstätten von Eleftherna (oder auch Eleutherna genannt). Der Ort stammt aus der spätminoischen Zeit.
Kurze Zeit später gelangt man zur Klosteranlage Arkadi. Sie ist das Symbol bzw. Nationalheiligtum für den kretischen Freiheitskampf gegen die Türken. 1866 begingen in der Pulverkammer des Klosters – angesichts der Übermacht der Türken und in einer aussichtslosen Lage befindlich – 964 kretische Flüchtlinge (Frauen, Kinder und Männer) durch Sprengung der Kammer Selbstmord und rissen viele der türkischen Soldaten so mit in den Tod. Das Kloster ist heute natürlich wieder aufgebaut, die Reliquien sind aber alle erst nach der Sprengung wieder in die Kirche gekommen. Fragt sich am Ende für den nichteingeweihten Touristen, wie ein Kloster eine derart große Pulverkammer besitzen konnte, die eine derart gewaltige Detonation bewirken kann…
Wer nach Arkadi unwillens ist direkt nach Süden zu verschwenken, kann noch einen Schlenker Richtung Rethymno machen – sei es im dort Mittag zu essen (siehe unsere Empfehlung des To Pigadi) oder um bei Giannis Voskakis in Adele in seiner Olivenholz-Manufaktur vorbeizuschauen (wir waren nach 2014 und 2016 auch gerne in 2018 wieder bei ihm!).
Zurück in Arkadi kommt man nach ein paar weiteren Kurven nach Thronos, ein minimalistisches Bergdorf – ein Schild an einem Haus mit Verkauf von Honig, Kräutern, Likör und anderen Spezialitäten verleitet zum anhalten.
Doch der eigentliche Schatz des Ortes ist auf der Straßenseiten gegenüber: Und man sollte sich diese Kleinod nicht entgehen lassen – denn die “Church of Panayia” birgt einen Schatz an alten Fresken, wie sie für Kreta inzwischen sehr selten geworden sind. Wir haben bereits viele Kirchen auf der Insel gesehen doch keine war so umfangreich mit einer flächendeckenden Wand- und Deckenmalerei ausgestattet wie die in Thronos.
Kurz nach Thronos wird man berauscht von den Blicken in das Tal von Foufouras mit dem 2454 Meter hohen Psiloritis im Hintergrund. Dies sind Momente, wo die Zeit stehen bleiben kann um dieses unglaubliche Panorama in all seinen Facetten genießen zu können. Wir standen nun bereits nach 2014 und 2016 auch in 2018 erneut an dieser Straße und ließen die Landschaft lange Zeit auf uns wirken!
Hat man sich losgerissen, geht es weiter durch die Tallagen zwischen Weinbergen und Olivenbaumhängen Richtung Foufouras – am Ort Kouroutes lohnt sich der Blick zurück: Nun schaut man von Süden nach Norden in dieses so schöne Tal. Ab und an muss man auch hier weitab aller Touristenströme mal mit einer Rush hour rechnen – und zwar dann wenn Schafe und Ziegen die Straße kreuzen…
Bei Mandres stößt man auf die Fernstraße von Rethymno nach Mires – und blickt auf die Mesara-Ebene, die optisch neben viel Grün auch jede Menge weisse Plastikfolie parat hat. Die Ebene ist Dank Grundwasserzuflüssen aus den Bergen bestens geeignet für die Landwirtschaft – rund um Timbaki fährt man durch „den Garten Kretas“, gepflastert mit Müll rechts und links von vielfach zerfledderten Plastikfolien der Gewächshäuser. Niemand scheint diese Umweltverschmutzung zu stören, es erschreckt einfach nur.
Der Hauptort der Mesara-Ebene ist Mires. Die Stadt hat unserer Meinung nach bei Manolis Haritakis nicht nur die besten Loukoumades der Insel zu bieten, sondern ist jeden Samstag auch der Nabel der Welt, wenn sich die Hauptstraße des Ortes in einen gigantischen Wochenmarkt verwandelt. Zwischen den Häusern werden in den Sommermonaten vielfach Stoffbahnen gezogen, um die stechende Sonne abzuhalten – und um die Kauflaune zu steigern. Einige Geschäfte versprühen auch eine leichte Wasserdusche, um Luft und Gemüter zu kühlen. Wir sind jedes Mal wieder gerne Besucher des Marktes – so manch gutes Olivenöl wie auch Honigglas der Imker vor Ort haben wir hier erstanden!
Kurz bevor man Mires ostwärts wieder verlässt, weist unscheinbar ein kleines Schild nach Zaros. Wieder schraubt sich die Straße in vielen Kurven und Serpentinen die Berghänge hoch, bis sich nach Erreichen der ersten Höhenzüge erneut das Panorama des Ida-Gebirges zeigt. Zaros und Rouvas sind namentlich wohl jedem Kreter wie Urlauber bekannt: von hier kommt das Trinkwasser der Insel, das aus den Brunnen rund um Zaros wie in der Rouvas-Schlucht gezogen und in (leider nahezu ausnahmslos in Plastik-) Flaschen abgefüllt wird. In Zaros zuhause ist Instrumentenbauer Antonios Stefanakis. Seine Werkstätte ist voll von Lyras, Laoutos, Mandolinen, aber auch Baglamas, Bouzoukis und Askomandouras. Leider war sein Geschäft bei unserem Stopover in Zaros geschlossen.
Schräg gegenüber hört man ein Arbeitsgerät schlagen, das man so eigentlich nur noch aus alten Filmen kennt: Klack, Klack…. „Mitos Traditional Art Handcrafts“ ist auf dem Sonnenschutz zu lesen – dazu links und rechts an den Zugängen Tischdecken und Teppiche wie man sie aus den typischen Touristenshops kennt und man permanent den Verdacht hat, mit asiatischer Billigware über den Tisch gezogen zu werden. Maria Zaxarioudakis ist hier zuhause und freut sich über Kunden, die sich für das alte Handwerk einer Weberin begeistern können – wir haben Sie in einem separaten Artikel HIER vorgestellt!
Eine Mittagspause sollte man sich definitiv am Votomos See gönnen – nicht vielleicht gerade sonntags, wenn alle Kreter der Umgebung hier picknicken, aber unter der Woche ist dort immer ein Plätzchen zu finden – und die frisch zubereiteten Forellen des Sees sind ein Gaumenschmaus!
„Wanderer, kommst Du nach Zaros…“, musst Du entweder vom Votomos See die Rouvas Schlucht bergauf (und wieder bergab) erklettern – oder lässt Dich mit dem Kleinbus von OutdoorTravel.gr aus Matala auf die Passhöhe des Ambelakia auf knapp 1400 Meter Höhe bringen – und wandert entspannt rund elf Kilometer bergab. Diese Tour haben wir kürzlichst separat gemacht und berichten darüber in einem eigenen Artikel HIER!
Über den Ort Gergeri gelangt man nun zielstrebig auf die Ostseite des Mount Ida. Hier sieht man seit Jahr und Tag die Autobahnbaustelle für die Schnellstraße zwischen Heraklion und Mires. Diese Straße wird seit mehr als 20 Jahren gebaut (ja, nicht nur Deutschland kann BER oder S21!) – seit die EU aber droht die Fördergelder für den Bau der Strecke zu streichen wird, so die Einheimischen, wieder mit Nachdruck weitergebaut.
Man kann von Agios Varvara nun der Schnelligkeit halber auf die (alte) Schnellstraße nach Heraklion wechseln – oder lässt die Seele baumeln und fährt stressfrei wie entspannt von Varvara (auch hier ist die Abzweigung mitten im Ort kaum zu erkennen!) weiter entlang des Gebirgmassivs nach Prinias. Am Ortseingang von Prinias ein wundersames Schild: „Distillery“! Leider war sie zur Mittagszeit bei unserer Durchreise geschlossen – bei einem unserer nächsten Kreta-Besuch werden wir sie mal genauer unter die Lupe nehmen 🙂
Ab Prinias zeichnet sich an jeder Kehrschleife einer Hangumrundung am Horizont die Silouette von Heraklion ab: anfangs im Sommerdunst, je näher man kommt um so facettenreicher, wodurch man die Größe bzw. Ausdehnung der Stadt nach den vielen kleinen Dörfern rund um den Ida überhaupt erst begreift.
Die unverändert kurvenreiche, nun jedoch durchwegs abwärts führende Straße Richtung der Hauptstadt lotst einen nun durch die „Gärten von Heraklion“: der Weinbau ist wieder präsent, die vielen Olivenhaine lassen auf eine reiche Ernte hoffen, mit der das Olivenöl in den Wintermonaten hier gepresst bzw. gewonnen wird, dazwischen erste mausgraue trockene Wiesen oder auch mal ein abgeerntetes Getreidefeld. Kurz vor Heraklion schweift der Blick nach links – hier sieht man das Abknicken des Ida-Massivs nach Westen mit dem Bergeinschnitt der Gonies Gorge. Ist man hier nicht erst vor kurzem…?
© Text (01.07.2018) und Fotos (2013, 2014, 2016 & 2018) Hans-Martin Goede – gerne erfragen Sie weiteres hochauflösendes Bildmaterial aus unserer umfangreichen Datenbank, wir lizensieren Ihnen gerne gewünschte Motive.
Hinweis: Wir bekommen oder bekamen für die Nennung von Tavernen, Geschäften, Pensionen Hotels, Firmen und Unternehmen hier in diesem Beitrag keine Vergünstigungen! Wir stießen während unserer Rundfahrt zufällig auf die genannten Personen und empfehlen Sie gerne, weil wir ihre Bemühungen wie Angebote richtig und unterstützenswert finden!