
Im äußersten Norden des Elsass, nahe der kleinen Gemeinde HUNSPACH, liegt eines der eindrucksvollsten Relikte französischer Militärarchitektur des 20. Jahrhunderts: das Fort de Schoenenbourg. Als Teil der berühmten Maginot-Linie erbaut, zieht es heute Besucher aus ganz Europa an, die sich für Geschichte, Technik und das Geschehen rund um den Zweiten Weltkrieg interessieren. Tief unter der Erde gelegen, zeugt das Fort nicht nur von militärischer Raffinesse, sondern auch vom Willen Frankreichs, seine Grenzen nach dem Ersten Weltkrieg massiv zu sichern.

Dieser obige erste (einleitende) Absatz klingt irgendwie banal – wenn man erst einmal diesen „unterirdischen Wahnsinn“ in zwei oder drei Stunden Gehzeit erlebt hat. Mit dem Bau des Forts wurde 1931 begonnen, abgeschlossen wurde es 1935 – in einer Zeit wachsender Spannungen in Europa. Und vier Jahre Kosten und Mühen für am Ende zwei Monate „Krieg“ im Mai und Juni 1940? Heute unvorstellbar, vor nunmehr gut 90 Jahren bittere Realität „zwischen“ den Weltkriegen. Bzw. nicht wissend, dass dieser zweite Weltkrieg wirklich kommt bzw. kommen würde.

Das Fort de Schoenenbourg gehört heute zu den größten und am besten erhaltenen Anlagen der gesamten Maginot-Linie – Dank eines Vereins (der „L’Association des Amis de la Ligne Maginot d’Alsace„), der Ende der 1970er Jahre von Deutschen und Franzosen gegründet wurde, um diese Wehranlage für die Nachwelt zu erhalten. Seit 1978 kümmert sich der Verein um das Fort de Schoenenbourg – übernahm ein zerfallendes und in weiten Teilen unter Wasser stehendes Bauwerk vom französischen Militär. In mehr als 40 Jahren Detailarbeit wurden das „Fort“, das sich in einer Tiefe von bis zu 30 Metern unter der Erdoberfläche verbirgt und aus einem weitläufigen System aus Gängen, Kasematten, Kasernenräumen und technischen Einrichtungen besteht und ursprünglich für rund 600 Soldaten ausgelegt war, wieder aufgebaut und als Museum gepflegt.

Die unterirdischen Anlagen erstrecken sich über mehrere hundert Meter. Die Gänge wurden damals mit modernster Technik ihrer Zeit ausgestattet: Strom, Lüftung, Wasseraufbereitung, Telefonleitungen und ein internes Transportsystem auf Schienen ermöglichten einen nahezu autarken Betrieb über Wochen hinweg. Oberirdisch sind nur einige wenige Kampfbunker und Artilleriekasematten sichtbar – der Großteil des Forts blieb damals – wie heute dem flüchtigen Auge verborgen.

Die Maginot-Linie – Verteidigungsstrategie nach 1918
Um die Bedeutung dieses Bauwerks zu verstehen, ist ein kurzer Blick auf den historischen Kontext notwendig. Nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs und dem hohen Blutzoll in den Grenzgebieten beschloss Frankreich, seine Ostgrenze dauerhaft zu befestigen. Die sogenannte „Maginot-Linie“ – benannt nach dem damaligen Kriegsminister André Maginot – sollte Angriffe aus dem Deutschen Reich abwehren oder zumindest deutlich verlangsamen.
Das Verteidigungssystem bestand aus Hunderten von Bunkern, Stellungen, Beobachtungstürmen und unterirdischen Festungen entlang der deutsch-französischen Grenze. Die Strategie war defensiv angelegt: Im Fall eines Angriffs sollten die Forts den Vormarsch verzögern, um der französischen Armee Zeit zur Mobilisierung zu geben. Schoenenbourg war dabei ein zentrales Element im nördlichen Elsass – eine der stärksten Sektionen.

Der Zweite Weltkrieg: Das Fort unter Beschuss
Während des deutschen Westfeldzugs im Mai und Juni 1940 wurde das Fort de Schoenenbourg heftig beschossen. Zwischen dem 14. und dem 25. Juni 1940 feuerten deutsche Truppen mehr als 3.000 schwere Granaten sowie mehrere Bombenabwürfe durch die Luftwaffe auf das Fort. Trotz dieser intensiven Angriffe blieb Schoenenbourg standhaft. Die Besatzung hielt ihre Stellung – die massiven Stahlbetonmauern widerstanden dem Beschuss. Als Frankreich am 25. Juni 1940 den Waffenstillstand unterzeichnete, erhielten die Soldaten im Fort den Befehl zur Kapitulation. Bemerkenswerterweise übergaben sie das Fort unbeschädigt und in voller Funktionsfähigkeit an die Deutsche Wehrmacht. Die deutsche Armee nutzte die Anlage in der Folgezeit vor allem zu Ausbildungszwecken, ließ sie jedoch weitgehend intakt.

Ein technisches und emotionales Erlebnis
Der Besuch im Fort de Schoenenbourg ist mehr als ein „technikhistorisches“ Museum. Es ist eher ein Ort des Gedenkens und der Mahnung: Die Enge, das Halbdunkel, aufkommende Kopfschmerzen durch den hohen Luftdruck unter der Erde, die Geräusche alter Maschinen – all das lässt spüren, wie angespannt und entbehrungsreich der Alltag im Bunker gewesen sein muss. Gleichzeitig ist das Fort aber auch ein Denkmal für den menschlichen Erfindergeist – für Ingenieure, Bauarbeiter und Soldaten, die ein Bollwerk gegen den Krieg schaffen wollten. Dass dieser Wunsch durch politische Entwicklungen überholt wurde, gehört zur Tragik der Geschichte.
Unverständlich, wie daher 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieg, der soviel Leid über den Kontinent gebracht hat, dies in Vergessenheit zu geraten droht – dies mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine seit 2022. Ein Land, das mehr als 27 Millionen Menschen zwischen 1939 und 1945 verlor, beginnt einen neuen Krieg. Einfach unfassbar.

Für alle, die sich für Zeitgeschichte, Technik, Architektur oder das Elsass interessieren, ist ein Besuch in Schoenenbourg ein absolutes Muss – informativ, tief bewegend, mahnend und doch beeindruckend.
Anschrift Museum
Fort de Schoenenbourg
Rue Commandant Martial Reynier
FR-67250 Hunspach
Webseite: www.lignemaginot.com
Die Öffnungszeiten unterscheiden sich je nach Jahreszeit – der Eintritt beträgt 10,- Euro je Person (Stand 2025).
© Text Hans-Martin Goede 15.07.2025, Fotos © 2025 – gerne erfragen Sie weiteres hochauflösendes Bildmaterial aus unserer umfangreichen Datenbank, wir lizenzieren Ihnen gerne gewünschte Motive.