DOVER/CALAIS (© hmg) – Die ersten Online-Suchergebnisse nach den beiden, sicherlich weltbekannten Hafenstädten, bringt auf den ersten fünf Seiten suchmaschinenübergreifend gleich die passenden Fährangebote (z.B. via DirectFerries), sei es durch Anzeigen oder Infoseiten der Reedereien. Doch was hat es mit dieser jahrtausendealten Wasserstraße eigentlich auf sich?
Wer die Fähre zwischen Calais und Dover (oder/und anders rum) nimmt, quert zwischen den Häfen den Ärmelkanal auf einer Länge von 42 Kilometern (wenngleich der Ärmelkanal selber an der schmalsten Stelle nur rund 32 Kilometer breit ist). Die Entfernung ist jedenfalls kurz genug, um von Calais aus am Horizont bei gutem Wetter die „White Cliffs“ (die weißen Felsen) von Dover auf der englischen Seite zu sehen, während man von Dover aus die (weniger bekannten) Kreidefelsen des Cap Gris Nez in Frankreich auf dem Kontinent erkennen kann (aufgrund ihrer dunkleren Färbung aber ein wenig schwieriger zu sehen).
Und just an dieser engen Stelle, weil man eben hier am schnellsten von A nach B, bzw. „C“(alais) nach „D“(over) und zurück kommt, hat es einen der dichtesten Schiffsverkehre, den es weltweit gibt. Denn der Ärmelkanal ist eine seit rund 6.500 Jahren existierende, natürliche und stolze 563 Kilometer lange und maximal 174 Meter tiefe Wasserpassage zwischen Atlantik und Nordseee, auf der heutzutage täglich bis zu 500 Containerschiffe, Frachter, Tanker und Passagierschiffe entlangschippern, während parallel im ziemlichen 90-Grad-Winkel dazu die Fähren der großen Anbieter (wie z.B. P&O Ferries) von und nach Dover fahren.
Wem es da zu viel und zu voll wird, kann seit 1994 aber mit dem Zug den Ärmelkanal im „Eurotunnel“ unterqueren: Rund 35 Minuten braucht ein Zug durch den rund 50 Kilometer langen Eisenbahntunnel – eine deutliche Zeitersparnis zu den rund 90 Minuten mit der Fähre. Aber halt unter Wasser in der Röhre – keine frische Seeluft, keine Schiffe beobachten, weniger Bewegung als auf den Schiffsdecks. Und last but not least auch deutlich teurer als die Fährfahrt. Ok, bei Sturm ist es mit dem Zug sicherlich ruhiger, aber sonst…
Letztlich ist die Nutzung der Fähre kein unüberwindbares Problem. Die Online-Buchung einer Fähre geht reibungslos, man wird regelmäßig zu seiner Buchung im Vorfeld per Mail informiert. Die Beschilderung ist auf französischer und britischer Seite sehr gut, ist nicht gerade Hauptreisezeit kommt man zum CheckIn ohne Stau und Warterei.
Auch wenn der Brexit zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels noch nicht Realität ist: Die Einreisekontrollen nach Großbritannien sind „passgenau“ (dies vor allem seit der Flüchtlingsproblematik 2015). Ironischerweise nehmen die Briten es bei der Ausreise in Dover mit den Kontrollen nicht so genau – „Hauptsache runter von der Insel“ scheint das Motto zu sein?
Highlights von Dover und Calais
Während vor Calais lange und breite Sandstrände bis über das Cap Gris Nez hinausreichen und die Kreidefelsen rückwärtig liegen, hat es südlich und nördlich von Dover mehr hohe Kreidefelsen im Angebot – und weniger Strände. Diese beschränken sich auf schmale Buchten, eine davon ist die von Dover. Gesäumt wird der schmale Strand von den Hafenanlagen – und längst vergangenem alten Charme eines Badeortes aus dem 19. Jahrhundert mit seinen Jugendstil-Fassaden.
Vom Wasser aus durchaus beeindruckend – steht man davor blickt man in meist leerstehende Häuser, von den Fassaden bröckelt der Putz. Dies setzt sich nahezu ungebremst in der ganzen Innenstadt von Dover fort – beim Brexit stimmten hier 63 Prozent der Einwohner für den Austritt aus der EU.
Lichtblicke von Dover sind zum einen das altehrwürdige Castle, das sich über der Stadt auf den Kreidefelsen erhebt, zum anderen wenn man Hunger bekommt das „Cullins Yard” (11 Cambridge Road) am alten Hafenbecken. Ansonsten steht von den Häusern gefühlt mehr als die halbe Innenstadt zum Verkauf, viele Geschäfte sind geschlossen.
Aber auch Calais auf der anderen Seite des Ärmelkanals hat es nicht leicht, mit Highlights aufzuwarten. Unrühmlich bekannt wurde der Hafen durch die Flüchtlingskrise mit dem „Dschungel von Calais“ in 2015/16, als in Zelten nahe den Hafenanlagen zeitweise bis zu 9.000 Menschen kampierten. In Folge dessen wurden die Hafenanlage mit kilometerlangen Zäunen samt Stacheldraht noch umfangreicher ausgestattet als sowieso schon, Kameras inspizieren jeden Winkel. Auch heute sieht man immer wieder Migranten auf den noch zugänglichen Straßen bei den Auffahrten zu den Terminals herumstehen – man hat sich arrangiert, wie auch immer. Auch 2018 ist die Autobahn A26 vor Calais auf rund 30 Kilometer eine Korridorfahrt. Anhalten ist untersagt, die Parkplätze Richtung Küste gesperrt.
Lecker Meeresfrüchte essen gehen in Calais kann man übrigens im Restaurant La Sole Meuniere (1 Boulevard de la Résistance), wenige Meter vom Place d’Armes entfernt Richtung der (unansehlichen) Hafenbecken. Die Innenstadt hat wenig Charme, sie spielt ihre Stärken aber in der „blauen Stunde“ am Abend aus, wenn die Beleuchtung der Kirchen, Brunnen und Fassaden eingeschaltet wird – was in Dover eigentlich komplett fehlt.
Übernachten in Dover oder Calais? Kann man, muss man aber nicht unbedingt. Preise und Qualität der angebotenen Betten in B&Bs oder Hotels passen nicht zusammen, sind hoffnungslos überteuert (warum bei den Einnahmen dann die Städte so heruntergekommen wirken, ist unverständlich).
Da die Fähren rund um die Uhr fahren, sind die Städte für die Touristen auf dem Weg auf die Britischen Inseln (wie Schottland) bzw. für die Briten auf den Weg in dem Süden (in der Regel das Perigord) nur noch ein StopOver. Dies ist wohl mit eine Ursache für den optischen Niedergang und die verringerte Lebensqualität beidseits des Kanals – und das obwohl hier jedes Jahr rund 14 Millionen Reisende durchkommen. So es uns mal wieder mit dem Auto Richtung Großbritannien treibt: nochmals werden wir (bis auf weiteres) weder in Calais noch in Dover eine Bleibe suchen…
© Text (21.09.2018) und Fotos (2016 & 2018) Hans-Martin Goede – gerne erfragen Sie weiteres hochauflösendes Bildmaterial aus unserer umfangreichen Datenbank, wir lizensieren Ihnen gerne gewünschte Motive.
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