Reykjavik (04.08.2015, © jg) – Ich hatte im Juli drei Tage frei und deshalb habe ich mir zwei Bustickets, von Reykjavik nach Thórsmörk und von Landmannalaugar nach Reykjavik gebucht um den 55 Kilometer “Laugavegurinn” zu wandern und bin am Mittwoch nach der Arbeit losgefahren. Die erste Nacht habe ich auf dem Campingplatz in Thórsmörk geschlafen um dann am Donnerstag um 6 Uhr aufzustehen und loszulaufen. Und gelaufen bin ich. Das Wetter war fantastisch (ich war in Shorts und T-Shirts unterwegs bei strahlendem Sonnenschein) und es waren kaum Leute da, weil normalerweise in die andere Richtung, von Norden nach Süden gewandert wird.
Mein Rucksack war zwar ziemlich voll mit Essen, Regenjacke und Fließ aber das Gewicht ließ sich ziemlich gut tragen. Die Blicke auf zwei Gletscher waren gigantisch und als ich um 11 Uhr die erste geplante Etappe zurückgelegt hatte, dachte ich mir „Warum jetzt bis nachts im Zelt faulenzen, wenn du die zweite Etappe auch noch laufen könntest?“ und so schleppte ich mich sechs Stunden später bis in die Nähe von Álftavatn, die geplante zweite Campingstelle. Bis dahin schaffte ich es aber nicht mehr, weil ich nach dreißig Kilometern mit stetiger Steigung schlichtweg nicht mehr konnte. Ohne es zu wissen schlug ich 500 Meter vor meinem Ziel (der See war für mich nicht zu sehen, hinter der nächsten Kurve) mein Zelt einfach mitten auf dem Weg auf und ging schlafen, nachdem ich den Tag über Berge rauf und runter geklettert, Flüsse durchwatet und Aschenwüsten durchquert hatte. Ich bitte zu beachten: zelten außerhalb der Campingplätze ist auf Island eigentlich illegal und sollte daher nicht nachgeahmt werden!
Einer der Flüsse war sogar so tief, dass ich beschloss es wäre klug meine Hose auszuziehen. Unterkühlung oder Blasenentzündung kann ich mir nicht leisten. Da stand ich also im 2°C warmen Schmelzwasser, dass mir bis zum Po reichte und versuchte nicht zu weinen, weil es ziemlich weh tut, in so kaltem Wasser barfuß mehr als einen Meter zu laufen. Nach zwei Schritten spürst du außer Schmerz nichts mehr in deinen Beinen. Es war natürlich klar, dass gerade als ich fast durch war, ein Jeep den Fluss ungefähr 10 Meter neben mir durchquerte. Es wäre ja nur meine Chance gewesen trocken rüberzukommen, aber ich hatte ja keine Geduld gehabt!
Am nächsten Morgen war ich wieder um 6 Uhr wach und zu meiner großen Überraschung fand ich nach der Durchquerung eines weiteren Flusses (ich hasse das am meisten. Ausziehen, durchwaten, anziehen, weiterlaufen.) den See direkt hinter dem Berg. Erst hatte ich ihn gar nicht erkannt, weil er so glatt war, dass das Wasser wie ein Teil der Wiese aussah! Einfach unglaublich, so glatt hatte ich noch nie einen See erlebt!
Nach Álftavatn kam dann der steile Anstieg auf über 1200 Meter in das Heißquellengebiet. Das war ein bisschen angsteinflößend, weil es quasi senkrecht den Lavaberg hochgeht und ich bin leider keine Bergziege. Trekkingstöcke habe ich mir des öfteren gewünscht. Ich aß mein letztes Essen mit Blick auf die gelb und braun gefärbten Berge – ein Fehler, wie es sich später herausstellte, aber ich bin leider so schlecht im Einschätzen wie viel man nach 30 Kilometer essen muss. Ich habe generell bisher immer zu wenig dabeigehabt. Das habe ich dann auch vier Stunden später gemerkt, als ich durch den knöchelhohen Schnee schwankte und nur noch einen Gedanken hatte: „Ein Königreich für einen Müsliriegel und Blasenpflaster!“ Und wie vom Himmel gefallen tauchten ein Kanadier und ein Schweizer auf, die zufällig beides hatten und es mir anboten!
Der letzte Teil der Wanderung war der schwerste, weil ich über 8-9 Kilometer durch teilweise kniehohen Schnee laufen musste. Meine Wanderschuhe vergaßen nach Stunde 3, dass sie eigentlich wasserdicht sind und ich hatte nach Stunde 4 die Nase voll von Schnee. Meine Fersen hatten Blasen wie noch nie und ich einen Sonnenbrand im Gesicht. Die letzten Berghänge habe ich mich dann auf meinen Rucksack gesetzt und bin runtergerutscht, weil ich einfach nicht mehr laufen konnte. Der letzte Kilometer nach Landmannalaugar war das schlimmste, was ich jemals gelaufen bin: Im Zick-Zack durchs Lavafeld, weil man ja anscheinend keinen geraden Weg da durch bauen kann. Was soll das denn?!
In Landmannalaugar habe ich dann erst mal den größten Topf Couscous aller Zeiten gemacht und danach in der natürlichen heißen Quelle meine armen Beine wieder aufgewärmt (und mich gewaschen, was nach zwei Tagen Dauerschwitzen auch notwendig war!). Ja, das ist die Geschichte, wie ich eine Wanderung, die auf vier Tage ausgelegt ist, in zwei gelaufen bin, nur weil ich es kann.
© Text und Fotos: Jacqueline Goede
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